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Johann Coudek

Geb. am: 04. Oktober 1907
Fakultät: Juridische Fakultät
Kategorie: Doktorgradaberkennung

Johann Franz COUDEK, geb. am 4. Oktober 1907 in Wien 15 als Sohn von Johann Coudek (1877–1948, Privatbeamter) und Anna Coudek, geb. Wasner (1881–1954) und wohnte mit seinen Eltern in Wien 15., Johnstraße 56 I/10. Er absolvierte das Gymnasium und legte 1927 die Reifeprüfung (Matura) am Bundesgymnasium in Wien 7., Kandlgasse 39 ab und studierte anschließend vom Wintersemester 1927/28 bis zum Sommersemester 1931 an der Universität Wien Rechtswissenschaften. Er hatte am 18. Juli 1932 an der Juridischen Fakultät der Universität Wien den Grad eines "Dr. iur." erworben.

Am 1. August 1934 begann er seine Tätigkeit als Rechtsanwaltsanwärter in der Kanzlei von Rechtanwalt Dr. Siegfried Grünwald (1877–1942) in Gloggnitz/NÖ (Hauptstraße 19), der seit 1910 als Rechtsanwalt praktizierte. In der Anwaltskanzlei lernte er vermutlich auch seine spätere Ehefrau kennen. Gertrude Grünwald (1911–1992), die Tochter des Kanzleiinhabers, hatte von 1930–1934 ebenfalls Rechtswissenschaften an der Universität Wien studiert und promovierte am 11. März 1935 zur "Dr.iur.".

Johann Coudek war wie seine Eltern katholisch, seine Frau evanglisch AB, da ihre Eltern schon vor ihrer Geburt vom jüdischen zum evangelischen Glauben konvertiert waren, und so heirateten sie am 22. Dezember 1935 in der evangelischen Pfarrkirche Wien Gumpendorf. Seine Frau arbeitete als promovierte Juristin ab August 1936 bis Februar 1938 ebenfalls als Rechtsanwaltsanwärterin in der Kanzlei ihres Vaters, gemeinsam mit ihrem Mann, der seit 22. August 1936 auch als Substitut tätig war. Ihre Anwärterinnenzeit endete Ende Februar 1938, seine Anfang August 1938.

Mit dem Anschluss änderte sich das Leben schlagartig. Johann Coudeks Ehefrau und seine Schwiegereltern galten nach den NS-Rassegesetzen als jüdisch, und sein Schwiegervater musste nach der Fünften Verordnung zum Reichsbürgergesetz vom 27. September 1938 auf die Rechtsanwaltschaft und auf die Ausübung seines Berufs am 19. September 1938 verzichten, bevor er zwangsweise aus der Rechtsanwaltsliste gelöscht wurde. Am 10. November 1938 wurde das Wohnhaus der Familie Grünwald in Gloggnitz, Rennergasse 11, beschlagnahmt und Dr. Grünwald emigrierte mit seiner Ehefrau Antonie in die Tschechoslowakei. Am 9. Juli 1942 wurde das Ehepaar Grünwald von Prag mit dem Transport AAp-227 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und zwei Wochen später am 28.7.1942 mit dem Transport AAy-625 weiter nach Baranovici in Weißrussland, wo sie nach Ankunft am selben Tag ermordet wurden.
Die Zwillingsschwestern seiner Frau, Marianne Grünwald, verh. Hahn (1912–?) und Anna Grünwald, verh. Sponer (1912–2010) konnten mit einem domestic permit (Dienstbotenvisum) nach England emigrieren und überlebten. Marianne Grünwald heiratete Otto Franz Hahn (1920–1985) und Anna Grünwald heiratete Rudolf Sponer (1913–1994) und sie lebten in West Midlands, England.

Johann Coudek und seine Frau Gertrude mussten ebenfalls aus Österreich flüchten – einerseits, da seine Frau als Jüdin im Dritten Reich verfolgt wurde, andererseits auch, da er unter dem Verdacht stand, gegen den Anschluss und das Berufsverbot gestimmt zu haben, was zu Razzien im Haus der Schwiegereltern in Gloggnitz geführt hatte und schließlich zur Beschlagnahmung dieses Hauses. Mit Hilfe der Schwedischen Israelmission in Wien 9, Seegasse 16 konnten sie am 5. Dezember 1938 nach Schweden emigrieren.

Nach der Ankunft in Schweden konnten beide nicht mehr den Rechtsanwaltsberuf ausüben. Das Ehepaar Coudek lebte zuerst in Stockholm, wo Johann als Bibliothekar und Gertrude als Sozialarbeiterin arbeitete. Später übersiedelten die beiden nach Bromma (Stadtteil Stockholms). Johann Coudek war 1944 Mitglied in der Österreichischen Vereinigung in Schweden (ÖVS), die unter dem Vorsitz von Bruno Kreisky und Gustl Moser von Sozialisten, Kommunisten und bürgerlichen Kräften im Juni 1944 gegründet worden war. 1947 erhielt er die schwedische Staatsbürgerschaft.

Am 28. Oktober 1944 wurde ihm der akademische Grad aus rassistischen Gründen aberkannt, da er im Nationalsozialismus "als eines akademischen Grades einer deutschen Hochschule unwürdig" galt.

Erst 11 Jahre nach der Aberkennung und lange nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde ihm der Doktorgrad am 4. Juli 1955 wieder zuerkannt, bzw. die Aberkennung für "von Anfang an nichtig" erklärt.

Dr. Gertrude Coudek, starb am 2. November 1992 in Stockholm. Dr. Johann Frans Coudek starb ein halbes Jahr später am 21. Juni 1993 ebenfalls in Stockholm.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale IUR 1927–1931, Promotionsprotokoll IUR 1924–1939 Nr. 2430, Rektorat GZ 151 ex 1942/43, GZ 561 ex 1944/45 ONr. 19; Deutscher Reichsanzeiger Nr. 132 vom 13. Juni 1944; Österreichisches Staatsarchiv ÖStA/AdR/BMF/AbgF 9822, 9823, 9824, Österreichisches Staatsarchiv ÖStA/AdR/BMF/ NHF 22486 und 22487 , Niederösterreichisches Landesarchiv NÖLA RStH ND IVD-8, VA G195 u. G196; Evangelische Kirche in Österreich/Kirchenamt A.B./Abt. Matrikenwesen Trauungsbuch ev. Pf. Gumpendorf; RÖDER 1980; POSCH 2009, 402; Simon USATY, Schwedens Flüchtlingspolitik und die Flüchtlinge aus dem Deutschen Reich 1938–1945, in: Irene Nawrocka, Simon Usaty, Hg., Im Exil in Schweden – Österreichische Erfahrungen und Perspektiven in den 1930er und 1940er Jahren, Wien 2013, 110-136, 111 u. 288; Barbara SAUER, Ilse REITER-ZATLOUKAL, Advokaten 1938. The fate of the lawyers and trainees registered with the Austrian Regional Bar Associations who were barred from practicing in the legal profession from 1938 to 1945, Wien 2022², 629, 300; www.matricula-online.eu; www.geni.com, www.ancestry.de; Biographie erarbeitet im Rahmen der Lehrveranstaltung "Methodenworkshop Biografische Methoden" im Wintersemester 2024/25.


Elisabeth Schitzhofer, Herbert Posch


Johann Coudek

Inskriptionsschein/Zulassungsschein ("Nationale) Johann Coudek Juristische Fakultät, Wintersemester 1927/28 (Vorderseite), Foto: Elisabeth Schitzhofer, © Archiv der Universität Wien

Inskriptionsschein/Zulassungsschein ("Nationale) Johann Coudek Juristische Fakultät, Wintersemester 1927/28 (Rückseite), Foto: Elisabeth Schitzhofer, © Archiv der Universität Wien

Inskriptionsschein/Zulassungsschein ("Nationale) Johann Coudek Juristische Fakultät, Sommersemester 1931 (Vordereite), Foto: Elisabeth Schitzhofer, © Archiv der Universität Wien

Inskriptionsschein/Zulassungsschein ("Nationale) Johann Coudek Juristische Fakultät, Sommersemester 1931 (Rückeite), Foto: Elisabeth Schitzhofer, © Archiv der Universität Wien
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