Geb. am: | 10. April 1907 |
Fakultät: | Philosophische Fakultät |
Kategorie: | Doktorgradaberkennung |
Günther (Max Ferdinand Franz) BUXBAUM, geb. am 10. April 1907 in Wien als Sohn von Salomon Buxbaum (1864–1917?, Kaufmann) und Ludmilla Anna Buxbaum, geb. Tuček (1888–1949, Grammophonhandlung), hatte an der Universität Wien Romanistik studiert und am 6. Mai 1931 an der Philosophischen Fakultät promoviert (Dissertation: "Das literarische Problem des Dadaismus") und hatte den Grad eines "Dr. phil." erworben.
Am 7. Juli 1936 heiratete er in der Votivkirche die Wiener Handelskorrespondentin Herta Klein (1913–1966), die kurz davor vom Judentum zum Katholizismus konvertierte. Er wohnte mit seiner Mutter in Wien 9., Garnisongasse 24 und arbeitete als Gymnasiallehrer in Innsbruck und Wien.
Die austrofaschistisch umgestaltete Stadtverwaltung übernahm per 1. August 1936 die Wiener Arbeiterbüchereien als "Arbeiterbüchereien der Stadt Wien" in ihre Verwaltung ("Städtische Sammlungen") und Günther Buxbaum wurde als Referent zum Leiter aller 53 Büchereien ernannt. Er reorganisierte den Betrieb nach autoritären und ideologischen Kriterien, verfolgte eine rigide, weit über die Vorgaben des Austrofaschismus hinausgehende Literatursäuberung (er verfasste persönlich mehrere "Sperrlisten" womit er fast 1.500 Bücher auf den Index setzte – darunter sogar Utopia von Thomas Morus, ungeachtet der Tatsache, dass der Autor vom Papst ein Jahr zuvor zum Heiligen und Märtyrer der römisch-katholischen Kirche ernannt worden war! – aber auch Werke von Kant, Rousseau, Herder, Sombart, Keynes, Boccaccio, Balzac, Dostojewskij, Hauptmann, D.H. Lawrence, Döblin, Karl Kraus oder Kurt Tucholsky; ein Kahlschlag für die ohnehin chronisch unterausgestatteten Büchereien und ihre Leser*innen). Er reorganisierte auch den Büchereibetrieb so um, dass Leser*innen keinen direkten Zugang mehr zu den Büchern bekamen um sich interessante Bücher ausborgen zu können, sondern die Mitarbeiter*innen teilten ihnen nach vorgegeben Kategorisierungen Bücher zu, die für sie im Sinne der ideologischen Ausrichtung des Austrofaschismus passend seien zu lesen. Jedes zurückgegebene Buch musste im Leseheft auch mit einem schriftlichen Leseurteil versehen werden, das von Aufsichtsorganen kontrolliert wurde. Leser*innen wurden nach Beruf, Bildungsgrad, Alter und Geschlecht in eigene Kategorien eingeteilt, die regelten, welche Bücher an sie ausgegeben werden durften, wobei Buxbaum sich auch engagierte, eine eigene Leser*innenkategorie "Juden" zu schaffen (was er aber letztlich in den zwei Jahren seiner Amtszeit nicht mehr durchsetzen konnte). Bewerbungen jüdischer Bibliothekar*innen lehnte er trotz chronischem Personalmangels ab.
Nach dem "Anschluss" wurde er selbst vom Nationalsozialismus verfolgt, sowohl als engagierter Vertreter des austrofaschistischen Systems wie auch als jüdischer "Mischling 1. Grades", da er zwar seit Geburt röm.-kathol. Konfession war, sein bereits verstorbener Vater im Nationalsozialismus aber als Jude galt ebenso wie seine eigene Ehefrau als Jüdin. Er und seine Frau mussten aus Österreich flüchten und konnten sich noch rechtzeitig nach Frankreich ins Exil retten und wurden daraufhin 1942 aus dem Deutschen Reich ausgebürgert und enteignet.
Am 11. September 1943 wurde ihm daraufhin als Rechtsfolge auch der akademische Grad aus rassistischen Gründen aberkannt, da er im Nationalsozialismus "als Jude als eines akademischen Grades einer deutschen Hochschule unwürdig" galt.
Nach der Befreiung Österreichs kehrte er mit seiner Frau 1945 nach Wien zurück, setzte seine Arbeit aber nicht mehr im Bibliotheksdienst fort, sondern nahm seine Mittelschullehrtätigkeit wieder auf, nunmehr am renommierten Akademischen Gymnasium in Wien. Er arbeitete auch schriftstellerisch ("Das Haus der Illusionen" und "Das Lied der Stummen" wurden 1955 am Burgtheater und 1956 am Volkstheater uraufgeführt) und erhielt 1955 den Österreichischen Förderungspreis für Literatur. Sein literarischer Nachlass wird in der Wienbibliothek im Rathaus aufbewahrt.
Erst 12 Jahre nach der Aberkennung und lange nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde ihm der Doktorgrad am 15. Mai 1955 wieder zuerkannt, bzw. die Aberkennung stillschweigend für "von Anfang an nichtig" erklärt, ohne ihn selbst davon zu verständigen.
Dr. Günther Buxbaum starb am 1. September 1969 in Wien und wurde am Friedhof Neustift im Walde in Wien 18 bestattet.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Promotionsprotokoll PHIL 1922–1931 Nr. 2452, Rektorat GZ 151 ex 1942/43, GZ 561 ex 1944/45 ONr. 15; Alfred PFOSER, Literatur und Austromarxismus, Wien 1980; Gisela KOLAR, Ein "Vorspiel": Die Wiener Arbeiterbüchereien im Austrofaschismus, ungedr. phil. Dipl. Univ. Wien, Wien 2008, bes. 80–125; POSCH 2009, 401; Heimo GRUBER, Die Entfernung der jüdischen Bibliothekarinnen und Bibliothekare aus den Arbeiterbüchereien der Stadt Wien, in: Wiener Geschichtsblätter, 78 (2023), 91–104; www.genteam.at; www.myheritage.at, www.ancestry.de; freundlicher Hinweis von Heimo Gruber, Wien 09/2023.
Herbert Posch