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Eduard Tschokl

Geb. am: 24. März 1916
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene Studierende

Eduard TSCHOKL, geb. am 24. März 1916 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Sohn von Eduard Tschokl (1885-1949, Kaffeehausbesitzer und Vorsteher Kaffeesiederzunft) und der Pauline, geb. Clement, geb. 1890, wohnte in Wien 6, Girardigasse 10. Er war 1933 wegen nationalsozialistischer Betätigung polizeilich abgestraft und deshalb aus der Realschule Wien 6 ausgeschlossen konnte aber trotzdem 1935 die Reifeprüfung (Matura) an der Realschule Wien 7 erfolgreich ablege, inskribierte anschließend an der Philosophischen Fakultät, um die Ergänzungsprüfung Latein abzulegen und studierte ab Wintersemester 1937/38 an der Universität Wien und war im Sommersemester 1938 an der Medizinischen Fakultät im 2. Studiensemester inskribiert.

Aufgrund seiner Großmutter mütterlicherseits - geb. 1858 war sie 1891 vom Judentum zum Katholizismus übergetreten - galt er nach den NS-Rassekriterien 1938 als "Mischling 2. Grades" und konnte sein Studium nur vorläufig und nur bei jederzeitigem Widerruf fortsetzen.
Dies trotz seines NS-politischen Engagements – er war ab 1932, auch während der Illegalität bis 1936 Kameradschaftsführer der Hitler-Jugend und ab 1937 in der Illegalität Mitglied des SA Sturmbann 1/4 Hauptsturm 7 – wurde er aus rassistischen Gründen aus der NSDAP, HJ und SA ausgeschlossen.

Er konnte am 29. November 1939 das Erste Rigorosum ablegen und am Wiedener Krankenhaus zwei Monte an der internen Abteilung hospitieren und an der gynäkologischen Abteilung famulieren und als "Mischlinge" ab dem 1. Trimester 1940 ein Gesuch an das Reichserziehungsministerium Berlin um Studienzulassung stellen mussten, reichte Edmund Tschokl ebenfalls ein Ansuchen zur Fortsetzung seines Studiums ein.
Gemäß Vorschrift legte der Dekan der zuständigen Medizinischen Fakultät, Prof. Eduard Pernkopf, dem Antrag sein Gutachten, das "insbesondere auf den persönlichen Eindruck über die Persönlichkeit und das Aussehen des Gesuchstellers einzugehen [hatte]. Dabei ist zu erwähnen, ob und inwieweit Merkmale der jüdischen Rasse beim Gesuchsteller äußerlich erkennbar sind." [Erlass des Reicherziehungsministeriums, 5. Jänner 1940]. Er stellte darin am 16.April 1940 fest: "Tschokl Eduard ist heute hier erschienen. An seinem Gesichtsschnitt kommt ein wenig der jüdische Typus heraus Er weist aber nach, dass er seinerzeit wegen nationalsoz. Betätigung polizeilich bestraft wurde, ist Mischling II. Grades. Seine Vergangenheit scheint also für ihn zu sprechen."
Das Reichserziehungsministerium entschied nach Absprache mit dem Reichsinnenministerium, Tschokl noch zur ärztlichen Prüfung zuzulassen, es sei jedoch ausdrücklich darauf hinzuweisen, dass er als "Mischling" keine Chance hätte, die Bestallung (Berufszulassung) als Arzt im Deutschen Reich zu erhalten.
Nach bestandenem 2. und 3. Rigorosum wäre Edmund Tschokl am 29. April 1943 nach alter Studienordnung berechtigt gewesen zu promovieren. Doch ohne Nachweis der Bestallung als Arzt (die ihm als Mischling nicht erteilt wurde) durfte er nicht promovieren bzw. durfte ihm das Doktordiplom nicht ausgehändigt werden. "Um den Genannten jedoch die Erlangung einer geeigneten Anstellung in der Industrie zu erleichtern, ermächtige ich die Fakultät, eine Bescheinigung des Inhalts auszustellen, daß sie, abgesehen von dem Nachweis der deutschblütigen Abstammung, alle Voraussetzungen für die Verleihung des Doktorgrades erfüllt haben. Auf der Bescheinigung ist ausdrücklich zu vermerken, daß sie nicht als Doktordiplom gilt." Er wurde vielmehr bis Kriegsende als Sanitäts-Unteroffizier eingesetzt.

Erst nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde er in der ersten Nachkriegspromotion am 8. Juni 1945 - rückwirkend per 29. April 1943 - nach der alten und nun wieder eingeführten österreichischen Studienordnung zum "Dr.med. univ." der Universität Wien promoviert, heiratete eine Arztkollegin (gest. 1978) und wurde Arzt mit Spitalsanstellung und eigener gynäkologischer Praxis in Wien 6, Mariahilfer Straße und galt als "Prominenten-Arzt".
Er wurde zum Medizinalrat ernannt, machte ich aber ab 1958 auch als Taucher, Unterwasserfilmer und Dokumentarfilmer einen Namen und wurde mehrfach für seine Filme ausgezeichnet (u.a. Maske, Tänze und Dämonen | 1981, Reefs & Islands | 1979, Rhapsody in Blue | 1978; Military | 1974; Gefährlicher Lorbeer | 1967; Einer gewinnt immer | 1966; Neptuns blauer Garten | 1966; Gymnestrada | 1965; Zauberreich Korallenrief  | 1962; Jazz on the Waves | 1961; Leni Riefenstahl Life; Thron der Götter) und war auch ein begeisterter Reiter und Eis-Tänzer.

Eduard Tschokl verunglückte am 12. September 1992 bei einer Tauchreise im Roten Meer, vor Safaga/Ägypten (seine Leiche wurde nie gefunden und er wurde später mit diesem Datum für tot erklärt).


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1937-1943; Promotionsprotokoll MED 1941-1949, Nr. 1220; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 491; Georg SCHÖRNER, Edi Tschokl – 100, in: Filmpresse 1, 2016, 15; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2023; VÖFA - Verband Österreichischer Film-Autoren; freundlicher Hinweis von Dr.in Barbara Sauer, Wien 04/2022.


Herbert Posch


Eduard Tschokl an der Kamera, 1960er, © Archiv des VÖFM|Verbandes Österreichischer Filmautoren

Nationale von Eduard Tschokl, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Eduard Tschokl, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Eduard Tschokl, Sommersemester 1938 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Eduard Tschokl, Sommersemester 1938 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Eduard Tschokl, Wintersemester 1938/39 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Eduard Tschokl, Wintersemester 1938/39 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Eduard Tschokl, Wintersemester 1938/39 (2. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Eduard Tschokl, Wintersemester 1938/39 (2. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Gutachten Dekan Prof. Pernkopf über Eduard Tschokl 1940, © Archiv der Universität Wien

Promotion Eduard Tschokl im Promotionsprotokoll 1945 © Archiv der Universität Wien
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