Geb. am: | 15. August 1920 |
Fakultät: | Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Annemarie SUBAL (verh. Demmer, verh. WANKO), geb. am 15. August 1920 in Wien (heimatberechtigt: Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Tochter des Augenfacharztes Dr. med Franz Subal (1893–1967) und der Jugendärztin Dr. med. Mathilde Subal, geb. Weiss (1887–1939) wohnte in Wien 1, Bösendorferstraße 5. Sie hatte nach der Reifeprüfung (Matura) an der Deutschen Mädchenmittelschule in Mödling, Niederösterreich, am 21. März 1939 mehrere Monate "Arbeitsdienstpflicht" in Arbing/Oberösterreich und in Krakau/Polen abgeleistet und begann im Wintersemester 1939/40 ihr Medizinstudium an der Universität Wien. Nach dem Tod der Mutter im Juni 1939 musste sie auch den Familienhaushalt für ihren Vater und zwei Geschwister führen.
Sie war seit Geburt evangelisch – ihre Eltern waren vor der Heirat von röm.-kath. Bekenntnis zum Protestantismus (evangelisch A.B.) konvertiert – wurde aber im Nationalsozialismus als "Mischling 1. oder 2. Grades" verfolgt (wie auch ihre ebenfalls Medizin studierenden Geschwister Elisabeth Subal (1923–2019) und Franz Karl Subal (1924–1944)), da ihr verstorbener Großvater mütterlicherseits, Schuldirektor einer deutschen Werkschule in Bosnien und 1885 röm.-kathol. getauft, bei Geburt 1861 der israelitischen Glaubensgemeinschaft angehört hatte.
Als "Mischlinge" ab dem 1. Trimester 1940 ein Gesuch an das Reichserziehungsministerium Berlin um Studienzulassung stellen mussten, reichte Annemarie Subal am 1. April 1940 ihr Gesuch um Studienerlaubnis über das Medizinische Dekanat der Universität Wien ein. Gemäß Vorschrift legte der Dekan der zuständigen Medizinischen Fakultät, Prof. Eduard Pernkopf, dem Antrag ein mit 26. April 1940 datiertes Gutachten, bei, das "<i>insbesondere auf den persönlichen Eindruck über die Persönlichkeit und das Aussehen des Gesuchstellers einzugehen [hatte]. Dabei ist zu erwähnen, ob und inwieweit Merkmale der jüdischen Rasse beim Gesuchsteller äußerlich erkennbar sind</i>." [Erlass des Reicherziehungsministeriums, 5. Jänner 1940]. Er stellte fest: "ist Mischling II. Grades. Kein jüdisches Aussehen; hat den RAD abgeleistet.")
Als das Gausippenamt entdeckte, dass ihre andere Großmutter zwar arisch, aber "vorübergehend" mit einem Juden verheiratet war, galt sie im Gausippenamt als "Mischling 1. Grades". Als solcher hätte sie weder weiter studieren noch promovieren können und wäre auch nicht als Ärztin zugelassen worden. Die Studienerlaubnis wurde vom Reichserziehungsministerium am 2. April 1942 (WF 969) für vorerst 3 Semester genehmigt ("Ich würde unter diesen Umständen keine Einwendungen dagegen erheben, daß der Kandidatin (sic!) […] das Studium der Medizin fortsetzen darf. Wenn sie Mischlingen II. Grades gleichgestellt wird, wird sie zur ärztlichen Prüfung zugelassen werden; sie hat dann auch Aussicht, die Bestallung als Arzt für das Gebiet des deutschen Reiches zu erhalten"). Sie ersuchte bei der Reichsstatthalterei Wien, nur als "Mischling 2. Grades" zu gelten, da drei Großelternteile "rassisch arisch" seien und nach der entsprechenden positiven Entscheidung genehmigte das Reichserziehungsministerium am 5. April 1943 die Fortsetzung und sie wurde "unter dem Vorbehalt zu den ärztlichen Prüfungen zugelassen, daß sie hierdurch einen Anspruch auf die Erteilung der Bestallung als Arzt nicht erwerbe. Sie erhalte die Bestallung als Arzt, sofern die späteren kurz vor der Entscheidung über die Bestallung vorzunehmenden Feststellungen ergeben, daß gegen die politische und sittliche Zuverlässigkeit der Kandidaten und ihrer Familie keine Einwendungen zu erheben sind. als Mischling 2. Grades, insoweit sie tatsächlich nur von einem jüdischen Großelternteil abstammt, [...] ihre medizinische Ausbildung beenden").
Obwohl sie, nach erfolgreicher Ablegung alle strengen Prüfungen ("Rigorosen") im November 1944 alle studienrechtlichen Anforderungen zur Promotion erfüllt hatte, konnte sie aus rassistischen Gründen im Nationalsozialismus nicht promovieren, und musste die Universität Wien ohne Abschluss verlassen.
Ihr Berufsziel bzw. ihr Selbstverständnis als angehende Ärztin definiert sie in ihrem Ansuchen um Weiterstudium folgendermaßen: "Trotz aller verschiedenen Neigungen und Fähigkeiten ist mir mein Studium das Wichtigste, Schönste und Liebste und mein Trachten geht dahin einen ganzen Menschen aus mir zu machen, wie es ein richtiger Arzt sein soll, um den Menschen in den schwersten Stunden ihres Lebens nicht nur als Gelehrter, sondern auch als verstehender Freund entgegenkommen zu können. Vielleicht kann diese meine Einstellung zu meinem künftigen Beruf mein Gesuch gerechtfertigen."
Ihr Vater hatte bereits an der Universität Wien Medizin studiert und nach Unterbrechung durch Teilnahme am Ersten Weltkrieg 1921 promoviert und war 1921–1925 Klinischer Hilfsarzt an der 2. Univ. Augenklinik. Ab 1926 war er Assistent an der Wiener allgemeinen Poliklinik und Augen-Facharzt in eigener Praxis, galt als "Arier" und durfte im Nationalsozialismus weiter arbeiten.
Ihre im Juni 1939 52jährig verstorbene Mutter, die Kinderärztin Dr. med. Mathilde Subal, geb. Weiss (1887–1939), geboren in Wien-Liesing, röm. kath., absolvierte ihre Schulbildung in Witkowitz, Mähren [Vitkovice/Tschechien] und bereitete sich privat auf die Reifeprüfung (Matura) vor, die sie 1912 am Staatsgymnasium in Mähr. Ostrau [Moravská Ostrava/Tschechien] ablegte.Anschließend studierte sie Medizin an der Universität Wien, wo sie Anfang 1918 auch promovierte. Im Ersten Weltkrieg arbeitete sie hilfsärztlich in Kriegslazaretten in Jaice/Bosnien [Јајце/Bosnien-Herzogowina] und in Sternberg/Mähren [Šternberk/Tschechien]. Nach der Promotion setzte sie ihre Fachausbildung am Wiener Allgemeinen Krankenhaus fort. 1920 trat sie anlässlich ihrer Heirat zum protestantischen Glauben über, setzte aber auch danach ihre Spitalstätigkeit fort. Sie arbeitete in einer Mutterberatungsstelle der Alpinen Montangesellschaft in Eisenerz, Steiermark, kehrte nach einem Jahr nach Wien zurück und arbeitete unbezahlt an verschiedenen Wiener Kinderspitälern bevor sie 1927 als Jugendärztin der Gemeinde Wien in den Mutterberatungsstellen in Wien 21 und Wien 5 arbeitete.
Annemarie Subal konnte erst nach dem Ende des Nationalsozialismus in der ersten Nachkriegspromotion am 8. Juni 1945 - rückwirkend per 7. November 1944 – nach der alten und nun wieder eingeführten österreichischen Studienordnung – zum "Dr.med. univ." der Universität Wien promovieren.
Sie wurde Fachärztin für innere Medizin (nach ihrer ersten Ehe hieß sie Annemarie Demmer) und heiratete in zweiter Ehe in Imst/Tirol am 26. August 1953 den aus Wien stammenden Dr.med. Theodor Wanko (1923–1964). Er hatte mit ihr an der Universität Wien Medizin studiert, unterbrochen vom Kriegseinsatz im Zweiten Weltkrieg, und hatte anschließend sein Studium fortgesetzt und am 24. Juni 1952 zum "Dr.med.univ." promoviert. Am 12. März 1954 wurde Tochter Martina (1954–2016) in Wien geboren.
Ihr Mann wurde im Oktober 1956 als Gastwissenschaftler an das NIH in den USA eingeladen und sie wanderten alle drei in die USA aus. Sie flogen am 2. Oktober 1956 von Kopenhagen/Dänemark über Hamburg/Deutschland und Prestwick/Schottland in die USA, wo sie am 3. Oktober in New York, NY, ankamen. Sie lebten dann in Washington D.C. wo Annemarie Wanko im Mai 1959 eine eigene Praxis eröffnete und ihr Mann – ein Pionier der Elektronenmikroskopstudien von Augen- und Nervengewebe – Chef des Electron Microscopy Program of the Ophthalmology Branch, National Institute of Neurological Diseases and Blindness wurde. Sie arbeitete und forschte Ende der 1950er Jahre an der Georgetown University bzw. am Mount Alto Hospital und publizierte über ihre Forschungsergebnisse u.a. in den Annals of the New York Academy of Sciences (1958: Chlorothiazide in Hypertensive and Normotensive Patients) und im Journal of Clinical Investigation der American Society for Clinical Investigation (1960: Mechanism of The Altered Blood Pressure Responsiveness Produced by Chlorothiazide).
Annemarie Wanko wurde am 9. Jänner 1962 in Chevy Chase, MD, US-Staatsbürgerin und lebte und arbeitete nach dem Tod ihres Mannes 1964 weiter in den USA, in Kalifornien, zuletzt in Monterey, CA.
Ihre Tochter Martina Wanko Knee, Juristin, wurde eine leidenschaftliche Anti-Völkermord-Aktivistin, war Co-Vorsitzende des International Human Rights portfolio of the Jewish Council for Public Affairs' Task Force on Israel, World Jewry, and International Human Rights, Mitglied des Board of Directors des Helen and Joe Farkas Center for the Study of the Holocaust; Mitglied des Advisory Board des University of California, Berkeley Law School Human Rights Center; Vorstandsmitglied und Direktorin von Living Ubuntu; Mitglied des Jewish Community Relations Council of San Francisco, the Peninsula, Marin, Sonoma, Alameda and Contra Costa Counties; Mitglied des Jewish Public Affairs Council; Mitglied der American Jewish World Services und unterstützte viele andere Menschenrechtsorganisationen.
Annemarie Wanko, verw. Demmer, geb. Subal, starb am 21. Mai 2003 und ist mit ihrem Ehemann am Rock Creek Cemetery in Washington, D.C./USA begraben.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1937–1944, Promotionsprotokoll MED 1941–1949 Nr. 1265, RA GZ 944 ex 1939/40/41, RA GZ 97/I ex 1944/45, MED GZ 1115 ex 1939/40, MED S 51.1 ONr. 12, MED S 51.2 ONr. 14; Österreichisches Staatsarchiv OeStA/AdR/02-Unterricht/Kurator d. wiss. Hochsch. Wien (K. 13)/GZ 5201 ex 1940-1943; www.ancestry.de; Martina Knee Obituary im San Francisco Chronicle 2019; Dr. Wanko, of NINDB, Dies of Heart Attack, in NIH Record vom 21. April 1964, 8; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2025; freundlicher Hinweis von Dr.in Barbara Sauer, Wien 09/2022.
Herbert Posch