Geb. am: | 26. Mai 1918 |
Fakultät: | Philosophische Fakultät |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Alexander SPITZER (später: SPENCER), geb. am 26. Mai 1918 in Gumpoldskirchen/Niederösterreich (heimatberechtigt in Gumpoldskirchen, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Sohn von Artur Spitzer (1880–1944, Lederfabrikant in Gumpoldskirchen) und Lenke Spitzer, geb. Popper, (1894–1944) wohnte in Gumpoldskirchen, Wiener Straße 2.
Er hatte 1936 am Realgymnasium in Baden, Biondekgasse die Reiferüfung (Matura) abgelegt und war zuletzt im Sommersemester 1938 an der Philosophischen Fakultät im 4. Studiensemester inskribiert und belegte Vorlesungen in Chemie.
Nach dem "Anschluss" im März 1938 war er aus rassistischen Gründen gezwungen sein Studium abzubrechen - nachdem auch sein Antrag abgelehnt wurde, zumindest noch drei Monate im Rahmen des 2%-numerus clausus für jüdische Studierende weiterstudieren zu dürfen. Er musste die Universität Wien umgehend verlassen.
Bereits einige Tage nach dem "Anschluss" hatte die örtliche SA und SS große Teile der Spitzerschen Wohnungen als Hauptquartier requiriert. Die erfolgreiche Lederfabrik "Alexander Spitzer und Söhne", die vom Vater Arthur und dessen Bruder Alfred Spitzer gemeinsam geführt wurde, war 1938 ein begehrter mittelständischer Betrieb, um dessen Enteignung ("Arisierung") viele "verdiente mittellose Nationalsozialisten" aber auch Branchenkenner bis 1940 stritten.
Alexander Spitzers Eltern Arthur und Lenke Spitzer, sein Onkel Alfred und seine Neffen Erich und Otto Spitzer konnten aufgrund der Enteignung und die rasche Herunterwirtschftung des Betriebes die "Judenvermögensabgabe" und die "Reichsfluchtsteuer" nicht mehr aufbringen und nicht mehr rechtzeitig emigrieren, wurden 1944 in das Konzentrationslager Auschwitz [Oswiecim/Polen] deportiert und dort ermordet.
Alexander Spitzer und seiner Schwester, Dr. Josefa Spitzer (1914–1986, später verh. Gerstman, sie hatte in Archäologie bei Prof. Camillo Praschniker dissertiert und am 7. Juli 1937 an der Universität Wien zur. Dr. phil. promoviert), gelang es als ersten und einzigen der Familie, noch rechtzeitig zu fliehen nachdem sie im September 1938 Pässe für die Tschechoslowakei erlangen konnten. Dort konnten sie die Brüder ihrer Mutter auf Landwirtschaften unterbringen, die in jenem Teil der Slowakei lagen, der nach dem Münchner Abkommen nicht dem Deutschen Reich sondern Ungarn zufallen sollte. Anfang Mai 1939 gelang es Alexander Spitzer ein "trainée permit" für England zu erhalten, lebte 1939 in Hendon, Middlesex, England und wurde auch nicht als enemy alien interniert. Seine Schwester konnte ihm knapp zwei Wochen vor Beginn des Zweiten Weltkrieges gerade noch rechtzeitig nachfolgen - beide überlebten.
Alexander Spitzer lebte und arbeitete weiter in Hendon, England, heiratete dort im Oktober 1947 Doris E. N. Dymock und sie änderten den Familiennamen von Spitzer in Spencer und hatten einen Sohn, Michael Spencer (später verheiratet mit Helen Caudwell).
Alexander Spencer, geb. Spitzer, starb am 1. Dezember 2002 im Alter von 84 Jahren in Hillingdon, Middlesex, England/Großbritannien.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1937–1938; IKG-Wien Archiv, Geburtsmatrik Baden 2 1918, fol. 82, Z. 6; Ulrike FELBER, Arisierung und Liquidierung von Betrieben der österreichischen Leder erzeugenden Industrie, 3.2.4 Begehrte Mittelbetriebe – die Lederfabriken Alexander Spitzer & Söhne und H. Riesz & Söhne, in: dies. u.a., Ökonomie der Arisierung 2: Wirtschaftssektoren, Branchen, Falldarstellungen (=Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission 10,2), Wien u.a. 2004, 248-258; Gerhard A. STADLER, Das industrielle Erbe Niederösterreichs: Geschichte, Technik, Architektur, Wien,Graz, Weimar (Böhlau) 2006, 285; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 480; http://www.juedischegemeinde.at/Familien/Spitzer.htm; www.genteam.at; freundlicher Hinweis Dr.in Gudrun Wlach, Wien 01/2014.
Herbert Posch