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Rolf Singer

Geb. am: 23. Juni 1906
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Doktorgradaberkennung

Rolf SINGER, geb. am 23. Juni 1906 in Schliersee, Bayern/Deutsches Reich, als Sohn des Tier- und Genremalers Albert Singer (1869-1922) und von Eva Singer, geb. Hennicke (1874-1960), absolvierte das Progymnasium in Pasing, das Humanistische Gymnasium in Amberg und im letzten Schuljahr das Ludwigsgymnasium in München, wo er am 2. April 1925 die Reifeprüfung (Matura) ablegte. Anschließend studierte er - sein Vater war 1922 gestorben und er hatte schon einige pilzwissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht - mit einem Stipendium der "Studienstiftung des deutschen Volkes" ab Sommersemester 1925 an der Universität München Chemie, wechselte aber im Wintersemester 1927/28 für vier Jahre an die Universität Wien, um an der dortigen Philosophischen Fakultät Botanik (Nebenfach Chemie) bei Prof. Hans Molisch (1856-1937) und Privatdozent Heinrich Lohwag (1884-1945) zu studieren (er wird auch als "letzter Schüler von Prof. Richard Wettstein (1863-1931)" bezeichnet, auch wenn er keine Lehrveranstaltungen bei ihm besuchte).
Er konnte dabei auch als Mykologe im Sommer 1928 an der ersten Wiener Kaukasus-Expedition teilnehmen (mit Dr. Otto Watzl und Prof. Karl Swoboda), und konnte auch an der ersten Internationalen Kaukasus-Expedition 1929 teilnehmen - beides mit (auch finanzieller) Unterstützung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Wien - und war dabei an der Erstbesteigung des Giultschi (4.475 m) beteiligt und publizierte die Ergebnisse seiner vorrangig pilzkundlichen Studien in zwei größeren Veröffentlichungen. Er publizierte aus seinem Fachgebiet der Mykologie zahlreiche Artikel in Fachzeitschriften wie auch volksbildnerische Artikel über Pilze und Pilzvergiftung, aber auch in der Roten Fahne, dem Zentralorgan der Kommunistischen Partei in Österreich.
Nach Approbation seiner Dissertation "Monografie der Gattung Russula" (gedruckt in: Beihefte zum Botanischen Centralblatt Bd. 49, Abt. II, 1932) am 8. Juli 1931 bestand er am selben Tag auch das zweistündige Fachrigorosum bei Richard Wettstein (vertreten durch Viktor Schiffner), Faber und Ernst Späth.

Einige Monate später bestand er am 12. Dezember 1931 auch das "einstündige Rigorosum" bzw. "Philosophicum" (Prüfer: Robert Reininger, Karl Bühler) und konnte am 22. Dezember 1931 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien zum "Dr. phil." in Botanik promovieren.

Rolf Singer kehrte Anfang 1932 wieder nach München zurück floh aber nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten aus Deutschland, kam nochmals nach Wien, wo er die in Wien geborene Martha ("Mimi") Kupfer (1910-2003, Bildhauerin) wieder traf, seine spätere Ehefrau. Aber nach dem Umsturz durch Dollfuss 1933 und den Bürgerkrieg im Februar 1934 flüchtete gemeinsam mit Martha Kupfer er weiter nach Spanien, wo er eine Assistenzprofessur an der Autonomen Universität Barcelona erhielt. Im Zuge des spanischen Bürgerkriegs wurde er aber auf Druck des Deutschen Reiches entlassen und musste 1934 nach Paris/Frankreich wechseln, wo er fast zwei Jahre lang mit einem Stipendium am Muséum national d'Histoire naturelle arbeitete. Von dort wechselte er in die Sowjetunion und kam am 1. Oktober 1935 in der UdSSR an wo er für mehr als fünf Jahre blieb. Ab 20. Oktober 1935 arbeitete er als Pilzexperte am Botanischen Institut der Akademie der Wissenschaften der UdSSR [Russland] in Leningrad [St. Petersburg] und wohnte in einem Haus im Botanischen Garten. Seine Frau kam Anfang Jänner 1936 in Leningrad an und kurz darauf wurde am 19. Jänner 1936 die gemeinsame Tochter Amparo/Heidi (Eustaquio) geboren und eine Woche später heirateten Rolf Singer und Martha Kupfer. Beide blieben auch nach Kriegsbeginn noch bis 1941 in Leningrad.

In dieser Zeit wurde er 1939 vom Dritten Reich ausgebürgert, da er "der deutschen Staatszugehörigkeit nicht würdig" sei. Die Aberkennung der Staatszugehörigkeit wurde mit Verlautbarung im Deutschen Reichsanzeiger Nr. 192 vom 21. August 1939 rechtskräftig, womit gleichzeitig sein gesamtes inländisches Vermögen zugunsten des Deutschen Reiches beschlagnahmt wurde und er auch alle bürgerlichen Ehrenrechte verlor. Als eine der Rechtsfolgen forderte das Berliner Reichsinnenministerium das Berliner Reichserziehungsministerium auf, an der Universität Wien, die seit dem Anschluss 1938 zum Dritten Reich gehörte, ihm auch seinen dort 1931 erworbenen Doktorgrad abzuerkennen. Daraufhin wurde ihm am 20. Juni 1940 der Grad aus politischen Gründen aberkannt, da er im Nationalsozialismus als "eines akademischen Grades einer deutschen Hochschule unwürdig" galt.

Singer war zu dieser Zeit noch in Leningrad, wechselte aber nach dem Deutschen Angriff auf die Sowjetunion und der Geburt seiner Tochter im Februar 1941 über Kobe/Japan und San Francisco in die USA um am Farlow Herbarium of Cryptogamic Botany, Harvard University in Cambridge, MA, zu arbeiten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und dem Ablauf der obligatorischen 5 Jahre Frist wurde er im Jänner 1946 auch U.S. amerikanischer Staatsbürger. 1948 zog er weiter nach Argentinien, wo er bis 1961 als Professor an der Universidad Nacional de Tucumán arbeitete.

In dieser Zeit wurde ihm an der Universität Wien - 15 Jahre nach der Aberkennung und lange nach dem Ende des Nationalsozialismus - der Doktorgrad am 15. Mai 1955 wieder zuerkannt, bzw. die Aberkennung für "von Anfang an nichtig" erklärt, ohne ihn aber darüber zu informieren.

Singer wechselte 1961 nach Argentinien als Professor an der Universidad de Buenos Aires bevor er 1968 wieder in die USA zurückkehrte, wo er bis zu seiner Emeritierung 1977 am Field Museum of Natural History der University of Illinois in Chicago arbeitete (unterbrochen von Forschungsaufenthalte in Lausanne 1970/71 und Manaus 1976/78).

Singer war ein führender internationaler Experte der Taxonomie und Phylogenie der Pilze und befasste sich auch mit ökologischen Aspekten der Pilzkunde. Er verfasste über 400 wissenschaftliche Artikel sowie sieben Bücher, beschrieb rund 80 Pilz-Gattungen sowie rd. 2.500 Arten und Unterarten aus 22 Gattungen. Zu seinen Werke zählen u.a. The Boletineae of Florida (1945), The Agaricales in Modern Taxonomy Lilloa (1949, 1986 4. Aufl. Koeltz Scientific Books, Koenigstein), Mushrooms and Truffles. Botany, Cultivation and Utilization (Koeltz Scientific Books 1961), gem. m. Alexander Hanchett Smith: Monograph of the Genus Galerina (1964) und Die Pilze Mitteleuropas (1965).

Er blieb auch mit Wien, der dortigen Fachcommunity und der Universität weiter in Kontakt und führte im Frühjahr 1976, im Sommer 1979 und im Herbst 1985 mehrere Vorträge, Praktika und Exkursionen im Rahmen der Universität Wien durch und begründete dabei im Rahmen seiner mehrmonatigen Gastprofessur am Botanischen Institut im August 1979 auch das dortige neue mykologische Herbar, das bis heute von der Österreichischen Mykologischen Gesellschaft ehrenamtlich betreut wird.

Rolf Singer starb 87jährig am 18. Jänner 1994 in Chicago, IL, und ist am New Light Cemetery in Lincolnwood, IL/USA beigesetzt.


Lit: Archiv der Universität Wien: Nationale PHIL 1928-1931, Rigorosenprotokoll und -akt PHIL Nr. 11121, Promotionsprotokoll PHIL 1931–1941 Nr. 167, Rektorat GZ 739 ex 1939/40, GZ 1018 ex 1939/40, GZ 561/15 ex 1944/45; Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes DÖW 6318, Deutscher Reichsanzeiger Nr. 192 vom 21. August 1939;Martha SINGER, Glancing back, in: Festschrift für Rolf SINGER, Sydowia, Beiheft VIll, 1979; RÖDER 1983, 1088f.; Martha SINGER, Mycologists and other taxa, Braunschweig 1984; Heinz CELÈMENCON, Rolf Singer, in: Z. MYKOL. 60(1), 1994, 328-331; POSCH 2009, 478; wikipedia; www.genteam.at; www.ancestry.de; https://myk.univie.ac.at/die-geschichte; freundliche Hinweise von Dr. Valentin Golub, Tolyatti/RU 06/2025 und Dr. Hermann Voglmayr, Wien 06/2025.


Herbert Posch


Rolf Singer, aus einem Zeitungsbericht über die Teilnahme an der Kaukasusexpedition 1930, Der Abend v. 7. März 1930, 8

Rolf Singer, Inskriptionsschein/Zulassungsschein ("Nationale") Philosophische Fakultät, Wintersemester 1927/28, Vorderseite, Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Rolf Singer, Inskriptionsschein/Zulassungsschein ("Nationale") Philosophische Fakultät, Wintersemester 1927/28, Rückseite, Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Rolf Singer, Inskriptionsschein/Zulassungsschein ("Nationale") Philosophische Fakultät, Sommersemester 1931, Vorderseite, Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Rolf Singer, Inskriptionsschein/Zulassungsschein ("Nationale") Philosophische Fakultät, Sommersemester 1931, Rückseite, Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Promotionsprotokoll Philosophische Fakultät VI (1931-1941), Eintrag Nr. 167 von 22. Dezember 1931: Rolf Singer, © Archiv der Universität Wien

Aufforderung des Berliner Reichserziehungsministeriums an Rektorat Universität Wien vom 31. Jänner 1940 zur Aberkennung des Doktorgrades von Rolf Singer, Vorderseite © Archiv der Universität Wien

Aufforderung Reichserziehungsministerium Berlin an Rektorat Universität Wien vom 31. Jänner 1940 zur Aberkennung des Doktorgrades von Rolf Singer, Rückseite © Archiv der Universität Wien

Erhebung Promotionsdaten zwecks Doktorgradaberkennung von Rolf Singer, Universität Wien, 10. Februar 1940, © Archiv der Universität Wien

Einladung zur Sitzung zu mehreren Doktorgradaberkennungen, u.a. von Rolf Singer, Universität Wien, 21. Mai 1940, © Archiv der Universität Wien

Beschluss der Doktorgradaberkennung von Rolf Singer, Universität Wien, 20. Juni 1940, © Archiv der Universität Wien

Entziehungsbeschluss Doktorgradaberkennung von Rolf Singer, Universität Wien, 8. Juli 1940, © Archiv der Universität Wien
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