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Richard Singer

Geb. am: 26. Februar 1894
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene WissenschafterInnen

Richard Singer, geb. am 26. Februar 1894 in Witkowitz, Mähren/Österreich-Ungarn [Vitkovice-Ostrava, Tschechische Republik] war 1938 Dozent für Innere Medizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien.

Er wurde im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt und am 22. April 1938 seines Amtes enthoben, seine venia legendi wurde widerrufen und er wurde von der Universität Wien vertrieben.

Richard Singer wurde 1894 als Sohn von Ladislav/László Singer (1859-1943, Gastwirt und Gründungsmitglied des Israelitischen Tempelvereins) und Laura Singer, geb. Kohn (1870-1939) in der damaligen Markgrafschaft Mähren in Witkowitz [Vitkovice] geboren. Er besuchte die dortige deutsche Volksschule und anschließend das deutsche Gymnasium im nahen Mährisch-Ostrau [Moravski Ostrava], wo er im Sommer 1912 auch die Reifeprüfung (Matura) ablegte. Er wechselte dann für das Medizinstudium nach Wien und inskribierte ab Wintersemester 1912/13 an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Noch vor Ende des Ersten Weltkrieges konnte er am 23. März 1918 zum "Dr.med.univ." promovieren.

Richard Singer blieb nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie in Österreich und arbeitete vorerst als Assistenzarzt an der l. Medizinischen Univ.-Klinik. Er heiratete am 17. September 1921 in Baden bei Wien die Opernsängerin Jolanthe Garda (1893-1970), ungarische Staatsbürgerin aus Temeswar/Rumänien, und sie bekamen eine Tochter, Marianne Jolanthe (verh. Anderson, 1924-1997). Richard Singer lebte damals bereits in Baden bei Wien und arbeitete ab Oktober 1924 als Arzt im dortigen Sanatorium Esplanade. 1929 habilitierte er sich an der Universität Wien und wurde Dozent für Innere Medizin. Anfang 1935 übersiedelte die Familie von Baden nach Wien 9, Liechtensteinstraße 32 und er wurde Leiter der Kardiologie am Krankenhaus der Wiener Kaufmannschaft in Wien 19.

Nach dem "Anschluss" im März 1938 wurde er als Jude von der Universität Wien und vom Spital vertrieben, konnte auch nicht mehr weiter als Arzt praktizieren und musste aus Österreich flüchten. Es gelang ihm, mit seiner Frau und seiner Tochter 1939 nach England zu emigrieren, wo sich die Familie anfangs in East Grinstead, Sussex niederließ, später vermutlich nach Birnock, Bridge of Allen, Schottland übersiedelte. Er war einer von nur wenigen emigrierten Ärzten, die in Großbritannien praktizieren durften und arbeitete am Westminster Hospital in London.
Am 2. Mai 1940 war er in London an der Gründung der Austrian Academy in Great Britain beteiligt, der zahlreiche emigrierte Künstler*innen und Wissenschaftler*innen aus Österreich angehörten, neben ihm etwa auch der Chemiker Emil Abel, der Internist Walter Zweig, der Nationalökonom Richard Schüller und der Schriftsteller Stefan Zweig.
1940 gelang es der Familie, am 11. August 1940 von Liverpool mit der SS Samaria weiter in die USA zu emigrieren, wo sie am 21. August 1940 in New York, NY, ankamen.

Während auch seine Brüder Dr. Berthold Ernst Singer (1888-1961, Chemiker) und Rudolph Singer (1897-1993) noch rechtzeitig in die USA emigrieren konnten, wurden sein Bruder Dr. med. Oskar Singer (1890-1945) und sein Vater László Singer 1941 nach Theresienstadt deportiert, wo der Vater 1943 verstarb, während Oskar weiter in das KZ Auschwitz [Oświęcim/Polen] deportiert wurde, wo er 1945 starb.

Dr. Richard Singer wohnten mit seiner Familie ab 1940 in Manhattan, 410E, 57th street, New York und arbeitete 1942-1946 am West Side Hospital and Dispensary und 1946-1950 am Bird S. Coler Memorial Hospital. Anschließend arbeitete er als niedergelassener Internist und Kardiologie in eigener Praxis.  
Er war Fellow des American College of Cardiology und Mitglied der American Geriatrics Society, der New York County Medical Society, der Medical Society of the State of New York und der American Medical Association.
Zu seinen Werken zählen u.a. "Neue Beobachtungen über die Kreislaufverhältnisse in den unteren Extremitäten und ihre Beziehung zur Klinik" und "Über die Schmerzempfindlichkeit des Herzens und der großen Gefäße und ihre Beziehung zu Angina pectoris".

Dr. Richard Singer starb 85-jährig am 8. Juli 1979 in Manhattan, New York, NY/USA.


Lit.: Archiv der Universität Wien, Promotionsprotokoll MED 10 (1912-1919), Personalblatt S 304.1203, 112.267; Österreichisches Staatsarchiv OeStA/AdR E-uReang/AHF/Singer Richard Dr.; MERINSKY 1980, 226; NÖ ÄRZTECHRONIK 1990, 726; MÜHLBERGER 1993, 25; BLUMESBERGER 2002, 1275; UB MedUni Wien/van Swieten Blog; New York State Journal of Medicine 1979, 1797; New York Times, July 12th, 1979, D 17; www.genteam.atwww.geni.com; www.myheritage.at; www.ancestry.de.


Helga Fellner, Herbert Posch


Richard Singer, 1940
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