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Konrad Siegel

Geb. am: 31. Dezember 1901
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Vertriebene Studierende

Konrad SIEGEL, geb. am 31. Dezember 1901 in Wien/Österreich-Ungarn (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Sohn von Kommerzialrat Emil Siegel (1861–1934, Buchdruckereibesitzer und -funktionär) und Gisela Siegel, geb. Fröhlich (1878–1952), wohnte 1937 in Wien 2, Hammer-Purgstall-Gasse 2/11, 1938 in Wien 2., Hollandstraße 4.
Er hatte das Gymnasium und die Graphische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien erfolgreich absolviert und arbeitete auch in der Buchdruckerei seines Vaters. Weiters absolvierte parallel zum Universitätsstudium die Ausbildung zum Lehrer für israelitische Religion und hatte 1936 die Lehramtsprüfung bei der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG) abgelegt. Er war zuletzt im Sommersemester 1938 an der Philosophischen Fakultät im 7. und vorletzten Studiensemester inskribiert und belegte Vorlesungen in Philosophie, Psychologie und Hebräisch (Orientalistik) und arbeitete neben dem Studium als jüdischer Religionslehrer, u.a. in den Berufsschulen in Wien 6., Mollardgasse 87, und war Fortbildungsschulrat für Wien.

Er wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen, das Studium abzubrechen und die Universität Wien zu verlassen.

Er hatte am 7. September 1930 im Wiener Stadttempel Erna Goldberger (1900–1984) geheiratet und die beiden hatten bereits zwei Kinder – Rita Kenn, geb. Siegel (1931–2007) und Elly Herman, geb. Siegel (1933–2019) – als sie 1938 gezwungen waren Wien zu verlassen.

Konrad Siegel suchte im Mai 1938 um Unterstützung der IKG Wien für die Emigration der Familie nach Palästina an. Aber er wurde am 2. Juni 1938 in Wien verhaftet und in das Konzentrationslager (KZ) Dachau deportiert und von dort weiter in das KZ Buchenwald, wo er am 24. September 1938 mit der Häftlingsnummer 9669 registriert wurde. Die Familie in Wien verlor die Wohnung und übersiedelte zu den Schwiegereltern und der Schwägerin in die Wohnung in Wien 2, Zirkusgasse 20/5. Der elterliche Betrieb, den sein Bruder Georg seit dem Tod des Vaters 1935 führte, würde im Juli 1938 enteignet ("arisiert") und Georg gelang im Oktober 1938 die Flucht nach La Paz/Bolivien, wo er als Buchdrucker Arbeit und Aufenthalt fand und seine Mutter Gisela versuchte im Februar 1939 ebenfalls dorthin zu emigrieren.

Konrad Siegel suchte während seiner KZ-Haft Ende Dezember 1938 erneut bei der Kultusgemeinde Wien dringend um Ausreiseunterstützung an, da seine Entlassung aus dem KZ Buchenwald an die Bedingung gebunden war, binnen eines Monats das Deutsche Reich dauerhaft zu verlassen. Emigrationsziel dieses Antrags war nun die USA, da Wilma Schwabacher, eine Cousine seiner Frau aus New York Affidavits für alle vier Personen geschickt hatte. Mit Unterstützung der IKG gelang es, die Emigration vorzubereiten und er wurde am 16. Februar 1939 aus dem KZ Buchenwald entlassen. Er kehrte kurz nach Wien zurück und es gelang, über die Niederlande am 4. März 1939 mit der SS Ilsenstein von Flushing [Vlissingen]/Niederlande in die USA auszuwandern, gemeinsam mit seiner Frau und den beiden Kindern. Sie kamen am 17. März 1939 in New York City, NY, an. Die Familie lebte bei der Volkszählung 1940 in Manhattan, 718 178th str. #20, und später nach mehreren Umzügen in Brooklyn, bei der Volkszählung 1950 in 252 Wadsworth Ave #3a, Manhattan, New York City, NY.

Bereits am 4. August 1939 beantragte er die US-Staatsbürgerschaft, da an eine Rückkehr nicht mehr zu denken war und erhielt sie auch am 5. Juni 1944 und änderte den Vornamen in "Fred Conrad" (damalige Berufsbezeichnung: "watchcaser"). Trotz sehr guter Englischkenntnisse, wurde er wegen seines starken Wiener Akzents bei der Sprachprüfung in New York nicht mehr als Lehrer zugelassen und musste sich neu orientieren. Er studierte nochmals und erwarb einen "M.A." am City College New York. Seine Frau Erna sicherte die ersten Jahre das Familieneinkommen und arbeitete als Putzfrau und vermietete Teil der Wohnung. Erst nach rund zehn Jahren konnte die Familie wieder Fuß fassen. Bei der Volkszählung 1950 war seine Angabe zum Beruf: "Secretary am Welfare Department", die seiner Frau "houskeeper, private home". Als seine Mutter 1949 in Wien starb, die nach Kriegsende Restitutionsanträge für die enteignete Druckerei in Wien gestellt hatte, wurde er im Zuge der Verlassenschaftsabhandlung über die Wiener Zeitung als Erbe gesucht, da seine Adresse in den USA nicht amtsbekannt war.

Fred C. Siegel, geb. Konrad Siegel, starb am 9. April 1981 in Bronx, New York City, NY/USA.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1937–1938; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 475; www.genteam.at; www.ancestry.de; www.myheritage.com; collections.arolsen-archives.org; Interview der Tochter Elly Herman (geb. Siegel) am 6. März 1997 in Sharon, MA/USA (VHA Stiftung USC Shoah 26445).


Herbert Posch


Konrad Siegel, 1939

Nationale von Konrad Siegel, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Konrad Siegel, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Konrad Siegel, Wintersemester 1937/38 (2. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Konrad Siegel, Wintersemester 1937/38 (2. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Konrad Siegel, Sommersemester 1938 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Konrad Siegel, Sommersemester 1938 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien
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