Geb. am: | 13. August 1912 |
Fakultät: | Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Julius SCHWARCZ (später: John Julian SANDERS), geb. am 13. August 1912 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Sohn des aus Ungarn eingewanderten Adolf Schwarcz (geb. 1.11.1884, Inhaber des Gasthauses Wien 17., Ottakringer Straße 50, später Wien 16., Lerchenfelder Gürtel 49) und der Berta Schwarcz, geb. Ehrenthal (geb. 13.7.1943), wohnte in Wien 9, Brünnlbadgasse 18/10b, war zuletzt im Wintersemester 1937/38 an der Medizinischen Fakultät im 10. und letzten Studiensemester inskribiert.
Er befand sich beim "Anschluss" bereits im Prüfungsstadium und wurde anfangs aus rassistischen Gründen an der Beendigung ihres Medizinstudiums behindert. Doch konnte er es am 31. Oktober 1938 dann doch noch abschließen (Absolutorium vom 3. November 1938), allerdings nur im Rahmen einer diskriminierenden "Nichtarierpromotion" und mit gleichzeitigem Berufsverbot im gesamten Deutschen Reich.
Seine jüngere Schwester Elisabeth Schwarcz (1913–2003, verh Low), die ebenfalls an der Medizinischen Fakultät studierte, wurde von der Universität Wien vertrieben (sie konnte später nach Palästina [Israel] emigrieren und starb 2003 in Tel Aviv, Israel) Seine jüngere Schwester Magdalena Schwarcz (1918–2003, verh. Barber) konnte in die USA emigrieren und starb 2003 in New Jersey, USA).
Julius Schwarcz konnte nach Großbritannien flüchten und wollte dort seine Facharztausbildung absolvieren, lebte in London, 4 Adolphus Road, konnte aber vorerst nur Arbeit in einer Gasmaskenfabrik und als Parkwächter finden. Er wurde 1940 schließlich wie die meisten deutschen und österreichischen Immigranten als "enemy alien" interniert und auf dem Schiff HMT "Dunera" nach Australien deportiert. Dort angekommen wurde er 1940–1941 im Lager für feindliche Ausländer in Hay, NSW, und 1941–1942 im Lager in Tatura, Victoria interniert.
Nach der Freilassung im Juni 1942 kehrte er nicht nach England zurück, sondern blieb in Australien, trat in das Australien Labour Corps der Armee ein und war in Camp Pell, dem heutigen Standort des Royal Children's Hospital, stationiert. Im November 1942 wurde er wieder aus der Armee entlassen.
Er heiratete 1943 in Victoria die aus der Schweiz stammende Elizabeth Hildegard Tuchman (1912–1977), und sie bekamen einen Sohn, Robert Sanders und eine Tochter, Ann Sanders. Julius Schwarcz erhielt 1946 seine australische Einbürgerungsurkunde wurde 1949 australischer Staatsbürger und anglisierte 1950 seinen Namen zu John Julian Sanders. Nach Angaben seines Enkels lebte er als Australier, Sozialist und Demokrat in einem Arbeiterbezirk von Melbourne, liebte klassische Musik (besonders Gustav Mahler), die Literatur und die Bildende Kunst (besonders Francisco Goya). Er interessierte sich aber auch sehr für das zeitgenössische politische Weltgeschehen und war auch begeisterter Sportler (Cricket, Tennis, Fußball, Handball, Tischtennis, Leichtathletik und Football). Er war später auch der Arzt des Footscray Football Teams.
Da seine österreichische medizinische Qualifikation, wie bei vielen nach Australien emigrierten Ärzt*innen in Australien nicht anerkannt wurde, musste er das Studium erneut absolvieren, nunmehr in Englisch, und besuchte dafür die Universität Melbourne, Victoria, was er mit viel Ausdauer und Entschlossenheit auch schaffte. Seine Frau unterstützte die Familien, indem sie in dieser Zeit als Schneiderin wesentlich das Familieneinkommen bestritt. 1950 graduierte er an der Universität Melbourne und arbeitete ab 1946 als Pathologietechniker im Krankenhaus von Austin, Victoria. und praktizierte dann als Arzt in Horsham, Victoria, und in Yarraville, Victoria. Später trat er in das Medical Centre Footscray, Victoria, ein, wo er später Seniorpartner wurde und das ab 1976 als Lehrpraxis für Familienmedizin zugelassen wurde. Er konzentrierte sich dort auf Geburtshilfe und entband über 3.000 Babys. Daneben praktizierte er aber auch in mehreren örtlichen Krankenhäusern.
Nach fast 30 Jahren zog er sich aus der Allgemeinmedizin zurück und wurde chirurgischer Assistent bei einem Allgemeinchirurgen und einem Gynäkologen und wechselte erst 1988, im Alter von 76 Jahren, in den Ruhestand, betreute aber weiterhin Privatpatient*innen. Erst im Alter von 93 Jahren zog er sich 2006 gänzlich vom Arztberuf zurück.
John Julian Sanders, geb. Julius Schwarcz, starb am 9. August 2008 in Footscray, Maribyrnong City, VIC/Australien.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1937–1938; Promotionsprotokoll MED 1929–1942, Nr. 4164; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 471; POSCH 2009, 371; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2023, 471; freundliche Hinweise von Christine Kanzler und Elisabeth Lebensaft, Projekt "Dunera-Boys", Wien 12/2015, von seinem Enkel Robert J. Sanders, Australien 02/2017, 06/2022 und 09/2022 und von Dr.in Barbara Sauer, Wien 06/2022.
Herbert Posch