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Johann Schossberger

Geb. am: 04. Oktober 1914
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene Studierende

Johann (Janos A., Joan, später: Yanush) SCHOSSBERGER, geb. am 4. Oktober 1914 in Budapest/Österreich-Ungarn [Ungarn] (heimatberechtigt in Timișoara/Rumänien, Staatsbürgerschaft 1938: Rumänien), Sohn von Dr. Alexander/Šandor Schossberger (Kinderarzt und Direktor der pädiatrischen Poliklinik in Timișoara, 1880-1930) und Roza Rachel Schossberger, geb. Reichard (?-1930), wohnte in Wien an verschiedenen Adressen, zuletzt 1938 in 19, Billrothstraße 20, war zuletzt im Sommersemester 1937 an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien im 10. Studiensemester inskribiert (Absolutorium ausgestellt am 18. Juli 1938).

Johann Schossberger war 1938 nicht mehr inskribiert, sondern befand sich bereits im Stadium der Abschlussprüfungen ("Rigorosen "). Er konnte, nach längerer Unsicherheit, doch noch sein Studium abschließen und am 21. Juli 1938 unter zahlreichen symbolischen Diskriminierungen im Rahmen einer "Nichtarierpromotion" promovieren, bei gleichzeitig ausgesprochenem Berufsverbot im gesamten Deutschen Reich.

Er war seit 1930 Vollwaise und heiratete am 5. April 1936 die Amerikanerin Stella Kalmar (1915-2020) die 1915 als Tochter ungarischer Einwanderer in New York geboren worden war und seit 1919 mit ihren Eltern in Baden bei Wien lebte. Am 9. Dezember 1937 wurde ihr erstes Kind (Michael/Moshe/Misi) in Wien geboren. Johann Schossberger musste aus Wien flüchten und kehrte mit seiner Frau nach Timișoara in Rumänien zurück, wo er aufgewachsen war, wo aber wenige Monate zuvor eine allgemeine Mobilisierung der Armee ausgerufen worden war, weshalb er nun als Deserteur betrachtet und inhaftiert wurde. Zu diesem Zeitpunkt war sein Sohn Michael erst 7 Monate alt. Seine Frau hatte sich auf Anraten ihres Vaters von ihm scheiden lassen, um ihre amerikanische Staatsbürgerschaft wiederzuerlangen und 1939 in die USA zu gehen und zu versuchen, ihre Eltern, ihren Ex-Mann und ihren Sohn dorthin zu holen, was jedoch misslang. Sie ging nach Chicago und saß dort ein Jahr lang fest: Sie konnte weder zurückkehren, noch ihre Familie nachholen, konnte aber zumindest für sich und ihren Sohn Michael am 6. Februar bzw. am 18. Mai 1940 einen US-Reisepass ausstellen lassen. Im Juni 1940 gelang ihr die legale Einreise nach Palästina. Johann Schossberger wartete in Rumänien auf seinen Militärprozess und arbeitete in einem Sägewerk. Der Vater seiner Ex-Frau, Alexander, zahlte ein Bestechungsgeld, um ihn freizulassen. Er wurde schließlich als unbewaffneter Soldat mobilisiert, arbeitete in einem Pferdestall in Sibiu und kehrte dann nach Timișoara zurück.
Er plante in das britische Mandatsgebiet Palästina [Israel] zu emigrieren, wo seine Frau im Juni 1940 bereits angekommen war und ließ sich in Budapest am 22. Juli 1940 seinen rumänischen Pass ausstellen, doch die einzige Möglichkeit für ihn und seinen jüngeren Bruder Andrei/Bundy Schossberger (1918-1963) war die illegale Einreise und so fuhr er mit dem berüchtigten Flüchtlingsschiff Darien II, einem Frachtschiff, ab November 1940 von Constanța/Rumänien über Sulina/Rumänien, Varna/Bulgarien und Istanbul/Türkei bis er am 19. März 1941 in Haifa/Palästina ankam. Die rund 880 illegalen Flüchtlinge auf dem Schiff wurden von den Briten in das Atlit detainee camp gebracht. Johann Schossberger war dort und im Lager Beer Yaakov bis 1943 interniert. Anschließend heiratete er seine geschiedene Frau erneut, die 1940 aus den USA über Alexandrien/Ägypten nach Palästina gekommen war.

Im März 1943 trat er als Arzt und unter dem Namen Joan Schossberger freiwillig in die britische Armee (RAF) ein, wurde Leutnant und diente bis 1948 in Ägypten, Irak und Kurdistan. Er ließ sich anschließend in Israel nieder, wo bereits 1944 seine Tochter Evi (Eve Rachel) in Haifa geboren worden war. Mit der Beendigung der britischen Mandatsherrschaft und seinem Austritt aus der RAF wurde er kurzfristig britischer Staatsbürger und im Mai 1948 schließlich israelischer Staatsbürger unter dem Namen Yanush Schossberger.

Er zog nach Jerusalem und trat in die israelische Armee ein. Sein drittes Kind, ein Sohn, wurde geboren. Später fand er keine Arbeit, absolvierte eine Ausbildung in Psychiatrie in den psychiatrischen Kliniken und Abteilungen in Akko, Gehhah, Beer Yaakov und Bat Yam. Schließlich bekam er eine Stelle als Arzt in Kfar Shaul, einem staatlichen psychiatrischen Krankenhaus. Sein viertes Kind, Tochter Ruti, wurde geboren und er wurde bald darauf Direktor des Krankenhauses. Wenig später wurde er von der Israelischen Psychoanalytischen Gesellschaft als Psychoanalytiker anerkannt.
1979 wechselte er im Alter von 65 Jahren aus der Krankenhausdirektion in den Ruhestand.

Dr. Yanush Schossberger, geb. Janos/Johann Schossberger, starb am 7. November 1986 in Jerusalem und ist am Har Hamenuchot Cemetery in Jerusalem/Israel bestattet.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1937-1938, Promotionsprotokoll MED 1929-1941 Nr. 4114; POSCH 2009, 370; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2025; http://www.psychoanalysis.org.il/en/schossberger-dr-yanush/; freundlicher Hinweis seines Sohnes Eli Guy, Ramat Raziel/Israel 12/2020; www.myheritage.at, www.familysearch.org, www.geni.com.


Herbert Posch u. Katharina Kniefacz


Johann Schossberger, 1950er © Eli Guy

Nationale von Johann Schossberger, Sommersemester 1937 (1. Formular, Vorderseite), Foto: Katharina Kniefacz © Archiv der Universität Wien

Nationale von Johann Schossberger, Sommersemester 1937 (1. Formular, Rückseite), Foto: Katharina Kniefacz © Archiv der Universität Wien

Nationale von Johann Schossberger, Sommersemester 1937 (2. Formular, Vorderseite), Foto: Katharina Kniefacz © Archiv der Universität Wien

Nationale von Johann Schossberger, Sommersemester 1937 (2. Formular, Rückseite), Foto: Katharina Kniefacz © Archiv der Universität Wien

Johann Schossberger, Eintrag 4114 'Nichtarierpromotion' 21. Juli 1938, Promotionsprotokoll Medizinische Fakultät 1929-1942, Foto: Herbert Posch, © Archiv Universität Wien

Johann Schossberger auf der "Darien II" auf der illegalen Überfahrt nach Haifa, 1941 © Eli Guy
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