Geb. am: | 21. September 1907 |
Fakultät: | Philosophische Fakultät |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Gerta SCHMID, geb. am 21. September 1907 in Wien/Österreich-Ungarn (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich) als Tochter von Hermann/Hersch Schmid (1869-1942, Inhaber eines Modehauses in der Wiener Kärntnerstraße), und seiner Frau Pauline, geb. Beck (1878-1942), absolvierte im elterlichen Betrieb eine Lehre und begann dort zu arbeiten, konnte aber 26-jährig am 11. Oktober 1933 als Externistin am Elisabethgymnasium [Rainergymnasium] in Wien 5 erfolgreich die Reifeprüfung (Matura) ablegen und war vom Wintersemester 1933/34 bis Sommersemester 1937 an der Philosophischen Fakultät inskribiert, belegte Lehrveranstaltungen in Zoologie und Botanik und befand sich 1938 bereits im Stadium der Abschlussprüfungen. Parallel forschte von 1936 bis 1938 bei Hans Przibram an der Biologischen Versuchsanstalt ("Vivarium") der Österreichischen Akademie der Wissenschaften im Prater an ihrer Dissertation.
Sie hatte sich bereits am 19. November 1937 zu den Abschlussprüfungen ("Rigorosen") in Zoologie angemeldet und trat zum ersten Rigorosum ("Philosophicum") am 27. Jänner 1938 an, wurde aber beim Philosophen Prof. Reininger reprobiert. Sie wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen, das Prüfungsverfahren abzubrechen und die Universität Wien zu verlassen. Nach längerer Unsicherheit konnte sie aber am 4. Juli 1938 ihre fertige Dissertation einreichen ("Entwicklungsbedingungen der imaginalen Rotfärbung am Vorderbein des Dixippus morosus Br. et Redt", Betreuer: Versluys, Ehrenberg), die am 6. Juli 1938 approbiert worden war, nachdem sie am 5. Juli auch die Reprobation des Ersten Rigorosums bei Reiniger bestanden hatte und konnte am 11. Juli 1938 zum zweiten Rigorosum in Zoologie und Botanik antreten bei den Professoren Versluys, Ehrenberg und Knoll und bestand.
Sie konnte somit, nach längerer Unsicherheit, doch noch ihr Studium abschließen und am 21. Juli 1938 - wenn auch nur unter zahlreichen symbolischen Diskriminierungen - im Rahmen einer "Nichtarierpromotion" promovieren, bei gleichzeitig ausgesprochenem Berufsverbot im gesamten Deutschen Reich.
Gerta Schmid musste aus Wien fliehen und konnte noch rechtzeitig mit einem "domestic permit" nach England emigrieren, wo sie die ersten Jahre in Bullingdon, Oxfordshire, England als Hausmädchen arbeitete. Auch ihr jüngerer Bruder Erich Schmid (1908–1984, Künstler) konnte nach England emigrieren.
Ihren Eltern und ihrem Bruder Wolfgang Peter Schmid (1918-1942) gelang nicht mehr rechtzeitig auszureisen, sie wurden am 6. Februar 1942 von Wien ins deutsch besetzte Riga/Lettland deportiert und dort ermordet.
Gerta Schmid lebte dann ab 1940 in London, nahm ab 1941 auch an Treffen der British Federation of University Women teil. Im selben Jahre gelang es ihr auch gemeinsam mit den Wiener Emigranten Oskar Peczenik (1898-?) und Ludwig Popper (1904–1984) einen Artikel (Antagonism between Thyroid and Posterior Pituitary and its Relation to the Autonomic Nervous System) in der Zeitschrift Confinia Neurologica zu publizieren über Wiener Forschungen im Labor bei Prof. E. Steinach 1936-1938. Spätestens seit Anfang der 1960er Jahre lebte Schmid in Gainsborough/England, wo sie bis zu ihrer Pensionierung als Biologielehrerin am lokalen Mädchengymnasium arbeitete.
Dr. Gerta Schmid starb fast 101-jährig am 7. Februar 2008 in Gainsborough, Großbritannien.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1937–1938, Rigorosenprotokoll PHIL Nr. 13943, Promotionsprotokoll PHIL 1931–1941 Nr. 2842; Archiv der Österreichischen akademie der Wissenschaften ÖAW/BVA; POSCH 2009, 367; Claudia u. Roland WIDDER (Hg.), Erich Schmid, Wien 1908–Paris 1984, Weitra 2002, 11–17, 120; Klaus TASCHWER, Vertrieben, verbrannt, verkauft, vergessen und verdrängt. Über die nachhaltige Vernichtung der Biologischen Versuchsanstalt und ihres wissenschaftlichen Personals, in: Johannes Feichtinger u.a. (Hg.), Die Akademie der Wissenschaften in Wien 1938 bis 1945. Wien 2013, 105–115; Gedenkbuch ÖAW.
Herbert Posch