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Walter Schiller

Geb. am: 03. Dezember 1887
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Doktorgradaberkennung

Walter SCHILLER, geb. am 3. Dezember 1887 in Wien 1., Schönlaterngasse 13 als einziges Kind von KommRat Friedrich Schiller (Verlagsbuchhändler aus Prag, Teilhaber des Verlags Moritz Perles Bücher, 1854–1943) und Emma Schiller, geb. Friedmann (1868–1938), war ein österreichisch-amerikanischer Pathologe, nach dem bis heute der Schiller-Test zur Erkennung von Gebärmutterkrebs benannt ist.

Walter Schiller hatte nach der Reifeprüfung (Matura) am k.k. Franz Joseph Gymnasium (Wien 1, Stubenbastei) ab Wintersemester 1907/08 an der Universität Wien Medizin studiert und erlangte am 31. Oktober 1912 an der Medizinischen Fakultät den Grad eines "Dr. med.", der ihm 1943 aus rassistischen Gründen aberkannt wurde.

Bereits während seines Studiums war er als Demonstrator für Physiologie bei Prof. Siegmund Exner-Ewarten (1846–1926) sowie für Pathologie für Prof. Anton Weichselbaum (1845–1920) tätig. Nach der Promotion 1912 arbeitete er als Bakteriologe für die Bulgarische Armee während des Ersten Balkankrieges und absolvierte anschließend eine Ausbildung in Pathologie bei Weichselbaum, der als einer der ersten in Wien die Rolle der Bakteriologie bei der Erforschung infektiöser Krankheiten erkannte und 1887 die Meningokokken als Ursache der Hirnhautentzündung entdeckte.

Im Ersten Weltkrieg diente er ab 1914 als Medizinaloffizier der k.u.k. Österreichisch-Ungarischen Armee und war dort mit der Leitung eines medizinischen Labors betraut; er kam in Bosnien, Russland, Türkei und Palästina zum Einsatz und arbeitete auch nach Ende des Ersten Weltkrieges bis 1921 als Pathologe am Wiener Militär-Garnisons-Hauptspital 2 am Rennweg und arbeitete parallel 1981-1921 auch an der I. Med. Univ.-Klinik mit dem angesehenen Internisten Hans Eppinger (1879–1946) an der Universität Wien.

Von 1921 bis 1936 war er Assistent und Laborleiter an der II. Universitätsklinik für Geburtshilfe und Gynäkologie der Universität Wien, die damals von Prof. Fritz Kermauner (1872–1931) und dann von Prof. Wilhelm Weibel (1876–1945) geleitet wurde. Dort führte er auch seine medizinischen Studien über Gebärmutterhalskrebs durch und entwickelte seinen Jod-Screening-Test ("Schiller-Test" zur Früherkennung von Gebärmutterkrebs durch Nachweis glykogenarmer Zellen im Epithel des Muttermundes), über den er 1927 und 1928 in deutschsprachigen und 1933 und 1934 in englischsprachigen Journalen publizierte.

Bereits seit den 1920er Jahren und verstärkt ab Mitte der 1930er Jahre war Schiller als Spezialist für gynäkologische Pathologie auf internationalen Vortragstouren und hielt 1923, 1925 und 1935 jeweils einmonatige Vorlesungen im Trinity College, in der Rotunda, im Coombe Hospital und in der Royal Academy, alle in Dublin. Er hielt die Lloyd Roberts Lecture in Manchester, England, die Ingleby Lecture in Birmingham, England, und Vorlesungen an anderen Institutionen in England und Schottland, u.a. 1935 an der British Postgraduate Medical School in London. Von September 1936 bis Mai 1937 hielt er 150 Vorträge in den USA und Kanada, darunter die Hannah-Vorlesung an der Western Reserve University in Cleveland und die Bacon-Vorlesungen an der University of Illinois 1936.

Angesichts des drohenden Vormarschs des Nationalsozialismus in Europa emigrierten Schiller mit seiner Familie in die USA – er war seit 23. Februar 1923 verheiratet mit Dr. phil. Marie Popper (1893–1980, Tochter von Isidor Popper und Caroline, geb. Pollak, sie promovierte in Anglistik am 26. März 1917 an der Uni Wien) und sie hatten zwei Töchter: Esther Marianne Schiller-Porto (1929–2011) und Eva Susanne Schiller-Udell (1934–2016) und lebten bis 1937 in Wien 9., Reithlegasse 12.

Walter Schiller und seine Frau reisten am 25. April 1937 von Montreal, Kanada, in St. Albans, VT, in die USA ein. In den USA arbeitete er 1937–1938 als Laborleiter am Jewish Memorial Hospital in New York City, NY, 1938–1944 als Direktor der Abteilung für anatomische Pathologie am Cook County Krankenhaus in Chicago, IL, tätig (dort wurden damals jährlich etwa 50.000 chirurgische Präparate und 2.500 Autopsien durchgeführt, die ihm eine Fülle von morphologischem Untersuchungsmaterial lieferten).

Im September 1941 leitete der Reichsführer-SS und Chef der Deutschen Polizei ein Ausbürgerungsverfahren gegen ihn und seine Familie ein, und forderte im Zuge dessen über das Reichserziehungsministerium in Berlin im Oktober 1941 auch die Universität Wien auf, als Rechtsfolge Walter Schiller auch den akademischen Grad abzuerkennen.

Am 22. Juli 1943 wurde daraufhin Walter Schiller sein 31 Jahre zuvor erworbener Doktorgrad aus rassistischen Gründen aberkannt, da er im Nationalsozialismus "als Jude als eines akademischen Grades einer deutschen Hochschule unwürdig" galt (gegen seine Frau wurde allerdings kein Aberkennungsverfahren auf Verlust ihres 1917 erworbenen Doktorgrades eingeleitet).

Verbunden mit der Aberkennung der Staatszugehörigkeit war Verlust aller staatsbürgerlichen Rechte, Staatenlosigkeit und Einziehung aller Vermögen. Walter Schiller hatte allerdings bereits 1938 um die amerikanische Staatsbürgerschaft angesucht und wurde am 2. Juni 1943 US-Staatsbürger.

Erst 12 Jahre nach der Aberkennung und lange nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde ihm der Doktorgrad am 15. Mai 1955 von der Universität Wien wieder zuerkannt, bzw. die Aberkennung für "von Anfang an nichtig" erklärt, allerdings ohne ihn darüber zu informieren.

Er war in den USA in der Zwischenzeit auch beratender Pathologe an den Krankenhäusern Columbus, Mary Thompson und Cuneo in Chicago und gehörte zeitweise zum Personal des Women and Children's Hospital Chicago.

1959 wurde er von der United States Section of the International College of Surgeons geehrt und erhielt eine Urkunde zur Anerkennung seiner herausragenden Arbeit.
Er war Gründungsmitglied des College of American Pathologists, der American Association of Pathologists and Bacteriologists und der American Society of Clinical Pathologists, Ehrenmitglied von Phi Lambda Kappa, der Midwest Clinical Society, der Mississippi Valley Medical Society und der Österreichischen Gesellschaft für Gynäkologie.

Er wohnte zuletzt in 1401 Lake Street, Illinois, Cook County.

Dr. med. Walter Schiller starb am 2. Mai 1960 im Alter von 72 Jahren in Evanston, Cook County, IL/USA an einer Bronchopneumonie und Paralysis agitans und ist bestattet in Skokie, IL/USA.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Promotionsprotokoll MED 1912–1919 Nr. 124, Promotionsprotokoll PHIL 1913-1922, Personalstand der Universität Wien 1920/21 bis 1937/38, Rektorat GZ 118 ex 1941/42 ONr. 135, GZ 561 ex 1944/45 ONr. 15; Österreichsiches Staatsarchiv OeStA/AdR/E-uReang/FLD 14729, OeStA/AdR/E-uReang/VVSt/VA/65401; Nachruf in Chicago Tribune 1960; John G. GRUHN u. Lawrence M. ROTH, History of Gynecological Pathology V.: Dr Walter Schiller, in: International Journal of Gynecological Pathology 4, Jg. 17 (1998), 380–386; BLUMESBERGER 2002, 1204; Robert H. YOUNG, The rich history of gynaecological pathology: brief notes on some of its personalities and their contributions, in: Pathology, 1, Jg. 39 (2007) 6–25; POSCH 2009, 469; www.genteam.at, www.geni.com; www.ancestry.de; freundlicher Hinweis Dr.in Kathrin Korn, Wien 07/2022.


Herbert Posch


Walter Schiller, Nationale Medizinische Fakultät, Wintersemester 1907/08, 1. FSemester, (Foto: Herbert Posch), © Archiv der Universität Wien

Walter Schiller, Nationale Medizinische Fakultät, Sommersemester 1912, 10. Und letztes Semester, (Foto: Herbert Posch), © Archiv der Universität Wien

Walter Schiller, Promotion am 31. Oktober 1912, Nr. 124: Promotionsprotokoll Medizinische Fakultät, Foto: Katharina Kniefacz © Archiv der Universität Wien
Walter Schiller, Aufforderung zur Aberkennung des Doktorgrades 1941, Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien
Walter Schiller, Aufforderung zur Aberkennung des Doktorgrades 1941, Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien
Walter Schiller, um 1937
Walter Schiller, um 1937
Walter Schiller, ExLibris, von ihm selbst entworfen
Walter Schiller, ExLibris, von ihm selbst entworfen
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