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Susanne Schlesinger

Geb. am: 07. September 1919
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Vertriebene Studierende

Susanne SCHLESINGER, geb. am 7. September 1919 in Wien/Österreich (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Tochter von Emanuel Schlesinger (1896–1968, Kaufmann, Kunstsammler) und Nelly Schlesinger, geb. Engelmann (1900–1964), wohnte in Wien 7, Neubaugasse 36. Sie hatte 1937 die Reifeprüfung (Matura) am Mädchen-Realgymnasium Wien 8., Albertgasse 38, abgelegt und anschließend begonnen, an der Universität Wien Chemie zu studieren. Sie war zuletzt im Sommersemester 1938 an der Philosophischen Fakultät im 2. Studiensemester inskribiert und belegte Vorlesungen in Chemie.

Sie wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen, das Studium abzubrechen. Im Sommersemester 1938 versuchte sie noch, ein Weiterstudium im Rahmen des neu eingeführten 2%-Numerus clausus für jüdische Studierende zu beantragen, das aber abgelehnt wurde. Sie musste die Universität Wien verlassen.

Ihre Eltern waren schon März 1923 vier Monate vor der Geburt ihrer jüngeren Schwester Eva Greenwood Grünwald, geb. Schlesinger (1923-1967) aus der Israeltischen Kultusgemeinde ausgetreten, wurden im Nationalsozialismus aber trotzdem als Juden verfolgt, vertrieben und beraubt. Hutfabrik und Verkaufsgeschäft des Vaters, die Damenhuterzeugnung und Handel S. Engelmann in Wien 7, Neubaugasse 36, wurden enteignet ("arisiert") wie auch ein Großteil seiner Kunstsammlung. Er war ein bekannter Sammler moderner Kunst und befreundet mit Oskar Kokoschka und anderen Künstler*innen seiner Zeit, die auch in seiner rund 2.000 Kunstwerke umfassenden Sammlung vertreten waren. Er konnte nur einen Teil der Sammlung nach England  bzw. nach Indien in die Emigration retten.
Nach dem "Anschluss" musste die gesamte Familie flüchten, Vater Emanuel hatte Vorkehrungen getroffen, dass seine Frau Nelly und seine beiden Töchter Susanne und Eva Schlesinger noch rechtzeitig nach London, England, flüchten konnten, und er selbst konnte über die Schweiz nach Italien fliehen und von dort 1939 eine Schiffspassagen nach Shanghai/China erhalten, wobei er auf dem Schiff mithilfe der Jewish Relief Association in Bombay ein Visum für Britisch-Indien erhalten konnte und bereits in Bombay/Indien von Bord ging. Nach Kriegsbeginn 1939 anfangs interniert, gründete er bald nach seiner Freilassung mit dem emigrierten Wiener Pharmazeuten Hans Blaskopf (1903–1974) die Firma Indo-Pharma Pharmaceutical works Private Ltd. (INDON) in Dada, Bombay und setzte nach dem raschen wirtschaftlichen und finanziellen Erfolg auch seine Kunstsammlung wieder fort und wurde neben anderen zum Förderer der Progressiv Artist's Group (PAG) in Indien und war mit führenden Künstlern wie Sayed Haider Raza, Maqbool Fida Husain befreundet. Seine Familie in England konnte er bis 1947 nicht mehr sehen, entfremdete sich und baute in Indien nach einer weiteren Heirat eine neue Familie auf.

Susanne Schlesinger blieb nicht lange in England, dem Mutterland des British Empire, sondern emigrierte weiter nach Australien wo sie mit der SS Otranto am 11. April in Fremantle, bzw. am 18. April 1939 in Melbourne ankam. Sie ließ sich dann in Lindfield (Sydney)/NSW nieder, wo sie am 17. November 1944 auch australische Staatsbürgerin wurde (ihre Mutter lebte weiter als bristische Staatsbürgerin in England und ließ sich in Manchester nieder, wo sie 1964 auch starb, wie auch ihre Schwester Eva Greenwood (Grünwald), geb. Schlesinger, die 1967 dort starb).

Über das weitere Leben von Susanne Schlesinger in Australien ist vorerst noch wenig bekannt.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1937–1938; Wiener Stadt- und Landesarchiv WStLA/1.3.2.119.A41-VEAV-1947-C330/7.Bez., 1.3.2.119.A41-VEAV-1947- 449/7.Bez., 1.3.2.119.A41-VEAV-1947- 908/7.Bez.; Österreichisches Staatsarchiv OeStA/AdR/E-uReang/VVSt/VA 28610, OeStA/AdR/E-uReang/FLD 7197 und 10619; Yashodhara DALMIA, The Making of Modern Indian Art: The Progressives, Oxford 2001, 64f.; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 487; Margit FRANZ, Exile meets Avantgarde: ExilantInnen-Kunstnetzwerke in Bombay, in: Margit Franz u. Heimo Halbrainer, Hg., Going East – Going South. Österreichisches Exil in Asien und Afrika, Graz 2014, 403–431; Margit FRANZ, Gateway India: Deutschsprachiges Exil in Indien zwischen britischer Kolonialherrschaft, Maharadschas und Gandhi, Graz 2015, 288–302; Margit FRANZ, From Dinner Parties to Galleries: The Langhammer-Leyden-Schlesinger Circle in Bombay – 1940s through the 1950s, in: Burcu Dogramaci u.a., Hg., Arrival Cities: Migrating Artists and New Metropolitan Topographies in the 20th Century, Graz 2020, 73–90 [https://www.jstor.org/stable/j.ctv16qk3nf.6]; www.genteam.at; www.myheritege.at; www.ancestry.de;  freundliche Hinweise von Susanne Grimm-Bursch, Wien 08/2023.


Herbert Posch


Nationale von Susanne Schlesinger, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch © Archiv der Universität Wien

Nationale von Susanne Schlesinger, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch © Archiv der Universität Wien

Nationale von Susanne Schlesinger, Sommersemester 1938 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch © Archiv der Universität Wien

Nationale von Susanne Schlesinger, Sommersemester 1938 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch © Archiv der Universität Wien
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