Geb. am: | 17. Juli 1910 |
Fakultät: | Philosophische Fakultät |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Ida RUHRDÖRFER (verh. HALPERN), geb. am 17. Juli 1910 in Wien, Tochter von Hersch Meilech Ruhdörfer (Seidenkrawattenfabrikant) und dessen geschiedener Ehefrau Sabine Weinstock, mit der sie gemeinsam in Wien 5, Kettenbrückengasse, wohnte. Nach ihrer Reifeprüfung am Mädchen-Reformgymnasium mit Schwerpunkt Sprachen und Literatur 1929 begann sie ein Studium an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien. Während ihres Studiums lernte sie den Chemiker Georg Halpern kennen, den sie schließlich im November 1936 heiratete. Das Paar hielt sich einige Zeit in Mailand auf, kehrte aber bald nach Wien zurück.
Ida Halpern war 1938 nicht mehr an der Philosophischen Fakultät inskribiert, sondern befand sich bereits im Stadium der Abschlussprüfungen. Sie hatte sich bereits am 20. November 1937 zu den Abschlussprüfungen ('Rigorosen') in Musikwissenschaft angemeldet und das erste Rigorosum am 27. November 1937 bestanden. Am 28. Juni 1938 hatte sie auch ihre Dissertation eingereicht mit dem Titel 'Franz Schubert in der zeitgenössischen Kritik', die am 30. Juni 1938 approbiert worden war. Am 2. Juli 1938 hatte sie auch das zweite Rigorosum bestanden. Sie konnte somit, nach längerer Unsicherheit, doch noch ihr Studium abschließen und am 21. Juli 1938 unter zahlreichen symbolischen Diskriminierungen im Rahmen einer 'Nichtarierpromotion' promovieren, bei gleichzeitig ausgesprochenem Berufsverbot im gesamten Deutschen Reich. Ihre Eltern wurden 1942 nach Minsk deportiert, wo sie ermordet wurden.
Mit finanzieller Unterstützung der jüdischen Flüchtlingsorganisation HICEM konnte das Paar 1938 zunächst nach Shanghai emigrieren, nach Konversion zum katholischen Glauben 1939 weiter nach Vancouver/Kanada. Bald wurde Ida Halpern als Musikerin und Musikkritikerin tätig: Sie spielte Klavier für den Vancouver Jewish Congress, arbeitete für die Canadian Broadcasting Corporation, ab 1940 für die Universität von British Columbia und als Musikkritikerin für den Vancouver News-Herald. Daneben unterrichtete sie ab 1941 Musik an der Universität und privat, und Deutsch. 1944 erhielt sie die kanadische Staatsbürgerschaft.
Halpern trat dem Women's Musical Club (Präsidentin 1960-1962) bei und gründete 1948 die Friends of Chamber Music, die sie auch als Präsidentin und Mitglied des Programmkomitees leitete. 1958 wurde sie Direktorin der auditions der Metropolitan Opera, engagierte sich für das Vancouver Symphony Orchestra, und die Community Music School of Greater Vancouver (Vize-Vorsitzende 1968-1972) , hatte eine Lokalradiosendung 'Musical Mailbox', und schrieb bis 1957 Musikkritiken für das die 'Vancouver Province'.
Wissenschaftlich beschäftigte sich Ida Halpern intensiv mit der Folkmusik der Eingeborenenstämme in Nordamerika (Kwakiutl, Nootka, Haida und Coast Salish) und war in diesem Bereich auch Pionierin der ersten ethnomusikologischen Aufnahmen - insgesamt konnte sie etwa 500 ihrer Lieder aufzeichnen und katalogisieren. Ihre anthropologische Arbeit, musikalische Phänomene in die Evolution der Menschen einzuordnen, wurde kritisiert, die musikwissenschaftlichen Feldarbeiten in der Ethnomusikologie und Vergleichenden Musikwissenschaft fanden jedoch breite Anerkennung.
1966 war Ida Halpern die kanadische Delegierte beim International Folk Music Council in Ghana und Gastlektorin an kanadischen und amerikanischen Universität. Sie erhielt Forschungsstipendien von der Provinz British Columbia 1977 und vom Social Science and Humanities Research Council of Canada 1979. 1978 wurde Ida Halpern die Auszeichnung 'Order of Canada' verliehen.
Ida Halpern starb am 7. Februar 1987 in Vancouver/Kanada.
Ihr wissenschaftlicher Nachlass befindet sich zum Teil in den British Columbia Archives and Records Services in Victoria, zum Teil in der Simon Fraser University.
Lit.: Sybil AMBER, Ida Halpern — Music Never Lies, 2009; biografiA; David Gordon DUKE, Remembering Dr. Halpern, 2011; The Canadian Encyclopedia; KNIEFACZ/POSCH 2017a.
Katharina Kniefacz und Herbert Posch