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Elise Richter

Geb. am: 02. März 1865
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Vertriebene WissenschafterInnen
Elise RICHTER, geb. am 2. März 1865 in Wien, gest. am 21. Juni 1943 in Theresienstadt [Terezín/Tschechische Republik], war Privatdozentin (ao. Prof.) für Romanische Philologie an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien. Elise Richter wurde als Tochter des Chefarzt der k.k. priv. Südbahngesellschaft Dr. Maximilian Richter und dessen Frau, Emilie Lackenbacher in Wien geboren. Da der reguläre Schulbesuch für Mädchen noch nicht erlaubt war, erhielten Elise und ihre ältere Schwester, die spätere Anglistin Helene Richter, Privatunterricht.
Ab 1891 durfte sie einzelne Vorlesungen an der Universität Wien als Gasthörerin besuchen. Als es Frauen gestattet wurde, zur Reifeprüfung anzutreten, legte Elise Richter als erste Frau am Akademischen Gymnasium in Wien 1897 die Externistenmatura ab. Als eine der ersten Frauen inskribierte sie im selben Jahr als ordentliche Hörerin Romanistik, allgemeine Sprachwissenschaft, klassische Philologie und Germanistik an der Universität Wien und promovierte 1901 zum Dr.phil.
Elise Richter habilitierte sich 1907 als erste Frau an der Universität Wien und erhielt die Lehrberechtigung für romanische Philologie sowie eine unbezahlte Dozentur. 1921 erhielt sie als erste Frau in Österreich den Titel eines ao. Universitätsprofessors und einen Lehrauftrag für Romanische Sprachwissenschaften, Literatur und Phonetik. Ab 1928 leitete Elise Richter das phonetische Institut der Universität Wien. Der Titel des Ordinarius blieb ihr jedoch verwehrt. 1922 gründete sie den "Verband der akademischen Frauen Österreichs", dessen Vorsitzende sie bis 1930 blieb.
Richter forschte hauptsächlich auf dem Gebiet der (romanischen) Sprachwissenschaften, mit Schwerpunkt im Bereich der Phonetik und der Phonolologie. Ihre Arbeiten befassten sich mit den psychologischen Grundlagen des sprachlichen Geschehens. Im Bereich der Sprachgeschichte erforschte sie den inneren Zusammenhang in der Entwicklung der romanischen Sprachen. Elise Richter wurde im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt und 1938 ihres Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben. Sie blieb mit ihrer Schwester Helene in Wien, ihre letzten Arbeiten konnte sie 1940 bis 1942 nur noch in den Niederlanden und Italien veröffentlichen. Am 10. Oktober 1942 wurde sie nach Theresienstadt deportiert, wo sie wenige Monate später starb. Die Bibliothek der beiden Schwestern mit etwa 3.000 Bänden wurde 1942 von der Universität Köln "übernommen", im Rahmen der seit 2005 laufenden NS-Provenienzforschung soll sie rekonstruiert und restituiert werden.
Nach Elise Richter wurde 1999 ein Förderpreis für herausragende romanistische Habilitationen und Dissertationen des Deutschen Romanistenverbandes, 2003 ein Hörsaal der Universität Wien, 2006 ein Frauenförderungsprogramm des österreichischen Wissenschaftsfonds (FWF) und 2008 ein Weg in Wien-Floridsdorf (21. Bezirk) benannt. Ein Reliefporträt im Institut für Romanistik erinnert an die erste Dozentin der Universität Wien. Neuere Forschungen beleuchten verstärkt kritisch Elise Richters Sympathien für den austrofaschistischen Ständestaat und ihre Ablehnung der Sozialdemokratie.

Lit.: ariadne/ÖNB; Elisabeth ANDRASCHKO, Elise Richter - eine Skizze ihres Lebens, in: Waltraud Heindl, Marina Tichy, Hg., "Durch Erkenntnis zu Freiheit und Glück ...": Frauen an der Universität Wien (ab 1897), Wien 1990, 221-231; Ausstellung "Bedrohte Intelligenz – Von der Polarisierung und Einschüchterung zur Vertreibung und Vernichtung im NS-Regime", Wien 2015; Hans Helmut CHRISTMANN, Frau und "Jüdin" an der Universität. Die Romanistin Elise Richter (Wien 1865-Theresienstadt 1943), Mainz u.a. 1980; CZEIKE Bd. 4 1995; EMÖDI/TEICHL 1937; Mavise ERKOL, Sprachwissenschaft und Nationalsozialismus am Beispiel der Romanistin Elise Richter. Diplomarbeit, Univ. Wien, 2002; FREIDENREICH 2002; Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Österreichischen Akademie der WissenschaftenHELFERT 2010, 99-105; KEINTZEL 1993; KILLY Bd. 8 1998; Susanne KIRST, Elise Richter. Jüdisch-akademisches Leben in Wien 1865-1943, Tübingen 1997; Elise RICHTER, Summe des Lebens (Autobiographie), hg. vom Verband der Akademikerinnen Österreichs, Wien 1997; SIMON 1997


Katharina Kniefacz und Herbert Posch


Elise Richter, Meldungsbuch, (c) WienBibliothek
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