Geb. am: | 26. Jänner 1919 |
Fakultät: | Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Alfred Dietrich RENDELSTEIN (später: Alfred D. RENDELL), geb. am 26. Januar 1919 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Sohn von Dr. Joel/Julius Rendelstein (1881–1968, Arzt) und Leopoldine Josefine Rendelstein, geb. Kukula (1878–1958). Er wohnte in Wien 15, Gablenzgasse 15, hatte 1937 am Bundesrealgymnasium in Wien 7 erfolgreich die Reifeprüfung (Matura) abgelegt und begann im Wintersemester 1937/38 an der Universität Wien Medizin studieren. Er war im Sommersemester 1938 an der Medizinischen Fakultät im 2. Studiensemester inskribiert.
Obwohl römisch-katholisch galt er als "Mischling 1. Grades", da sein Vater als Jude galt, obwohl er 1925 von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien zum katholischen Glauben übergetreten war. Alfred diestrich Rendelstein konnte sein Studium nur bei jederzeitigem Widerruf vorläufig fortsetzen.
Als "Mischlinge" ab dem 1. Trimester 1940 zur weiteren Studienzulassung vorab ein Gesuch an das Reichserziehungsministerium Berlin stellen mussten, reichte Alfred Dietrich Rendelstein am 23. März 1940 ein Ansuchen zur Fortsetzung seines Studiums ein. Gemäß Vorschrift legte der Dekan der zuständigen Medizinischen Fakultät, Eduard Pernkopf, dem Antrag ein Gutachten bei, das "insbesondere auf den persönlichen Eindruck über die Persönlichkeit und das Aussehen des Gesuchstellers einzugehen [hatte]. Dabei ist zu erwähnen, ob und inwieweit Merkmale der jüdischen Rasse beim Gesuchsteller äußerlich erkennbar sind." [Erlass des Reicherziehungsministeriums, 5. Jänner 1940]. Er stellte im Gutachten vom 26. April 1940 knapp fest: "Dietrich Rendelstein ist Mischling I. Grades. Das Jüdische tritt heraus."
Zu diesem Zeitpunkt war Rendelstein im 7. Studiensemester und hatte sämtliche Prüfungen des I. Rigorosums mit Erfolg abgelegt, war bereits zur Deutschen Wehrmacht assentiert worden (Wehrpass Wien II, 19, XI/157) aber für Fortsetzung/Abschluss des Medizinstudiums vorerst noch beurlaubt worden.
Das Reicherziehungsministerium teilte am 19. Juni 1940 die Entscheidung mit (WF 2541), dass es Rendelstein nach Absprache mit dem Reichsinnenministerium, obwohl "Mischling 1. Grades", trotzdem ausnahmsweise noch zur ärztlichen Prüfung zulassen werde, da er die Vorprüfung (1. Rigorosum) zuvor bereits bestanden hatte, unter dem ausdrücklichen Hinweis, dass er die Bestallung (Berufszulassung) als Arzt im Deutschen Reich nicht erhalten werde.
Nach alter Studienordnung wäre er nach dem approbierten 10. Studiensmester im Juli 1941 berechtigt gewesen, zu den Rigorosen anzutreten, was ihm aber erst im März 1942 erlaubt wurde und nach bestandenem 2. und 3. Rigorosum (jedes aus vier Einzelprüfungen) wäre Alfred Dietrich Rendelstein am 1. Februar 1943 berechtigt gewesen zu promovieren. Sein Ansuchen um Zulassung zur Promotion zum "Dr.med.univ." wurde vom Reichserziehungsministerium aber – wie zuvor angekündigt – abgelehnt: Ohne Nachweis der Bestallung als Arzt (die "Mischlingen 1. Grades" grundsätzlich nicht erteilt wurde) keine Zulassung zur Promotion.
Erst nach dem Ende des Nationalsozialismus konnte er in der ersten Nachkriegspromotion am 8. Juni 1945 zum "Dr.med. univ." der Universität Wien promovieren, wobei das Doktordiplom rückwirkend ab 1. Februar 1943 ausgestellt wurde, jenem Tag, an dem er, abgesehen vom Nachweis der "arischen" Abstammung, alle Voraussetzungen für die Verleihung des Doktorgrades erfüllt hatte.
Er arbeitete dann als Gastarzt am Krankenhaus Lainz und an der II. Univ.-Frauen-Klinik im AKH und nebenberuflich als Theaterarzt. Er erhielt am 20. Juni 1946 die Approbation zum Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe und ließ sich in eigener Praxis an der alten Wohnadresse in Wien 15, Gablenzgasse 15 nieder und wohnte in Wien 1., Reichsratsstraße 9/12a.
Ein 1948 eingereichtes Ansuchen um Anerkennung des Ausbildungsschadens – dreieinhalb Jahre Verzögerung des Studienabschlusses und damit der ärztlichen Praxis durch die NS-Rassenpolitik – wurde in erster Instanz abgelehnt, erst nach einem Rekurs wurde dies im Juni 1950 auch amtlich anerkannt.
Nach mehreren Amerikareisen 1951, 1952, 1953, 1955 wanderte er 1956 schließlich in die USA aus, wo er in Staten Islands, NY, lebte und arbeitete.
Auch seine ältere Schwester Dr.med. Gertrud Rendelstein (1913–2002) wanderte in die USA aus.
Er änderte den Nachnamen in "Rendell" und war seit 1957 verheiratet mit Joan A. McElroy (1931–2012) und sie hatten zwei Kinder: Francesca G. Rendell (1965) und Marietherese T. Rendell (1970).
Dr. Alfred D. Rendell, geb. Rendelstein, starb am 12. Dezember 1998 in NY und ist am Saint Peter's Cemetery in West New Brighton, Richmond County, New York/USA bestattet.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale MED 1937–1940, Promotionsprotokoll MED (1941–1949) Nr. 1256, Rektorat GZ 944 ex 1939/40/41, MED GZ 1115 ex 1939/40, MED S 51; Wiener Stadt- und Landesarchiv WStLA/ÄKW/K2/1 - Kartei: Ärztinnen und Ärzte, WStLA 1.3.2.119.A41 237 Bezirk 15, WStLA 1.3.2.119.A41 382 N Bezirk 1; Österreichisches Staatsarchiv OeStA/AdR/E-uReang/VVSt/VA 28375, OeStA/AdR/E-uReang/FLD 14975, OeStA/AdR/E-uReang/Hilfsfonds/Abgeltungsfonds 794; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 456; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2023; www.genteam.at, www.myheritage.at, www.ancestry.de; freundlicher Hinweis von Dr.in Barbara Sauer, Wien 07/2023.
Herbert Posch