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Karl Beth

Geb. am: 01. Dezember 1872
Fakultät: Evangelisch Theologische Fakultät
Kategorie: Vertriebene WissenschafterInnen
Karl BETH, geb. am 1. Dezember 1872 in Föderstedt, gest. am 9. September 1959 in Chicago (USA), war o. Prof. für Dogmatik, Symbolik, Ethik an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien. Er wurde im Nationalsozialismus aus politischen Gründen verfolgt und 1938 seines Amtes enthoben zwangspensioniert und von der Universität Wien vertrieben. 1939 wird ihm auch der Ruhegenuß aberkannt. Er konnte nach Chicago/USA emigrieren. Ein 'Tor der Erinnerung' am Campus der Universität Wien ist seit 1998 nach ihm benannt (Beth-Tor, Durchgang zwischen Spitalgasse - Hof 1)

Lit.: MÜHLBERGER 1993, 10.

Herbert Posch

Biografie von Karl Schwarz 1998 anlässlich der Benennung des 'Tores der Erinnerung': In der April Folge 1938 der Kirchenzeitung "Der Säemann" steht die lapidare Meldung, daß Karl Beth, der bisherige Dekan der Evangelisch-theologischen Fakultät am Mittwoch, dem 16. März, das Dekanat "aus eigenem Entschluß" niedergelegt habe. Es wird geflissentlich verschwiegen, daß der knapp 66Jährige auch aus seinem Lehramt vertrieben wurde. Die von ihm für das Sommersemester 1938 angekündigten Lehrveranstaltungen, darunter auch die Pflichtvorlesung des Ständestaates "Zur weltanschaulichen Erziehung", wurden ersatzlos gestrichen. Die rassistische Neuordnung des österreichischen Berufsbeamtentums am 31. Mai 1938 lieferte auch dafür die gesetzliche Grundlage. Bei zwei Promotionsverfahren konnte Beth noch als Gutachter mitwirken, aber im übrigen war er als akademischer Lehrer, der mit einer Jüdin, der Juristin und Orientalistin Marianne Beth von Weisl (1890-1984), verheiratet war, nicht mehr tragbar. Ende März 1939 wurde ihm der Ruhegenuß aberkannt, in der Folge ging er in die Emigration nach Amerika und setzte gezwungenermaßen seine Lehrtätigkeit in Chicago fort. "Wir taten alles", so heißt es in einer nachträglichen beschönigenden Erinnerung seines Fakultätskollegen Gustav Entz (1884-1957), "um dem Kollegen zu zeigen, daß wir dieses Vorgehen der Behörde bedauerten". Immerhin fanden drei Studenten den Weg in seine Wohnung auf dem Spittelberg (VII., Zitterhofergasse 8), um ihm kurz vor seiner Abreise den Dank der Studentenschaft zu bezeugen. Wer war dieser Karl Beth, der im Unterschied zu seiner Frau in dem Sammelwerk "Vertriebene Vernunft: Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft 1930 1940" (Wien München 1987) nicht berücksichtigt wurde? Wurde er übersehen, weil er Theologe war oder weil aufgrund seiner preussischen Herkunft seine wissenschaftlichen Leistungen nicht als spezifisch österreichisch empfunden wurden? Nach dem 2. Weltkrieg weigerte sich zunächst die Zweite Republik, dem in Amerika gebliebenen Beth eine österreichische Beamtenpension zu bezahlen, diese Leistung mußte erst im Prozeßweg erstritten werden, obwohl er zwischen 1906 und 1938 fraglos österreichischer Staatsbeamter gewesen war. Anläßlich seines 60. Geburtstages würdigte ihn die Neue Freie Presse (12. 2. 1932) als theologischen Forscher, dem es an der unmittelbaren Verbindung zwischen seiner Disziplin und den geistigen Zeitströmungen der Gegenwart lag. 1936 wurde er anläßlich seines 30jährigen Dienstjubiläums durch den Rektor der Universität Wien geehrt. Geboren 1872 in Förderstedt/Provinz Sachsen und aufgewachsen in Stendal, wo sein Vater als Schulrektor wirkte, widmete er sich nach dem Gymnasium dem Studium der Philosophie und Theologie an den Universitäten in Tübingen und Berlin. Hier promovierte er 1897 zum Licentiatus theologiae und 1898 zum Doctor philosophiae, er habilitierte sich 1901 für Systematische Theologie. Im Genuß des "Schleiermacherschen Reisestipendiums" unternahm er daraufhin eine Forschungsreise in die östlichen Mittelmeerländer, deren Ertrag in dem Werk "Die orientalische Christenheit in den Mittelmeerländern" (Berlin 1902) zu erblicken ist und eine gegenüber seinem Lehrer Adolf von Harnack (1851 1930) differenzierte Sicht der orthodoxen Kirche heraufführte. Von ihm wurde sogar gesagt, daß es das erste Werk eines evangelischen Theologen gewesen sei, das der Ostkirche in ihrer besonderen Eigenart gerecht zu werden vermochte. Berühmt geworden ist Beth aber durch seine Forschungen zur Religionspsychologie, wobei er zum klareren Verständnis der seelischen Phänomene der Religion physiologische Studien anstellte und die Experimentalpsychologie sowie die Biologie heranzog, diese naturwissenschaftliche Betrachtungsweise der Religion aber mit der Religionsgeschichte und Philosophie konfrontierte. Seine Untersuchung "Religion und Magie" mit dem erläuternden und seine Methode kennzeichnenden Untertitel: "Ein religionsgeschichtlicher Beitrag zur psychologischen Grundlegung der religiösen Prinzipienlehre" (2. Aufl. 1927) markiert dieses wissenschaftliche Bemühen. 1927 gründete er die Internationale religionspsychologische Gesellschaft, deren Publikationsorgan er in Wien herausgab, wo er schon seit 1922 auch ein eigenes Forschungsinstitut für Religionspsychologie leitete. 1931 veranstaltete er einen vielbeachteten internationalen Fachkongreß zum Thema "Psychologie des Unglaubens". 1932 unternahm er eine Forschungsreise nach Abessinien. Eine weitere Facette seines Wirkens war sein Engagement in den Anfängen der ökumenischen Bewegung, so leitete er den österreichischen Zweig des Weltbundes für internationale Freundschaftsarbeit der Kirchen nach dem Ersten Weltkrieg. Zwischen 1939 und 1945 lehrte er Religionsphilosophie und -psychologie in Chicago. Seiner Wiener Fakultät blieb er über die Jahre der Emigration verbunden. Und er bezeugte diese herzliche Verbundenheit durch Lebensmittelsendungen in der unmittelbaren Nachkriegszeit, als Studenten und Lehrer in Wien noch vielfach Hunger litten. In einem Brief an Dekan Wilhelm Kühnert (1900-80), seinen Schüler, drückte Beth aber auch sein ungestilltes Heimweh nach der Wiener Fakultät aus. Zu einem Besuch in Wien ist es nicht gekommen, am 9. 9. 1959 ist er in Chicago verstorben. Die Fakultät hat indes in den 80er Jahren einen Forschungspreis nach Karl Beth benannt, dieser wurde bisher allerdings noch nicht verliehen.

Lit.: Erwin SCHNEIDER, Das Lebenswerk Karl Beths. In: Theologische Literaturzeitung (1953/11), Sp. 695 704 | Karl SCHWARZ, Karl Beths Weg ins Exil. Zur Geschichte der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien im März 1938, in: W. Engemann, Glaubenskultur und Lebenskunst. Interdisziplinäre Herausforderungen zeitgenössischer Theologie (Wiener Jahrbuch für Theologie, Bd. 10), Wien 2014. S. 173-191 | Karl SCHWARZ, "Haus in der Zeit": Die Fakultät in den Wirrnissen dieses Jahrhunderts. In: DERS./Falk WAGNER (Hg.), Zeitenwechsel und Beständigkeit. Beiträge zur Geschichte der Evangelisch theologischen Fakultät in Wien 1821 1996 (= Schriftenreihe des Universitätsarchivs 10, Wien 1997) S. 125 208 | Ingrid TSCHANK, Positive Theologie der Moderne: Der österreichische Theologe Karl Beth In: DIES., Martin BERGER, Matthias GEIST (Hg.), Gott und die Moderne. Theologisches Denken im Anschluß an Falk Wagner (= Wiener Beiträge für Theologie und Gemeinde 2, Wien 1994) S. 116-122.

Aus: Tore der Erinnerung. In: Ebenbauer, Alfred/Greisenegger, Wolfgang/Mühlberger, Kurt (Hg.): Historie und Geist. Universitätscampus Wien (2 Bände). Wien 1998, S. 165f.

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