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Robert Prochnik

Geb. am: 15. November 1915
Fakultät: Juridische Fakultät
Kategorie: Vertriebene Studierende

Robert PROCHNIK, geb. am 15. November 1915 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Sohn von Leon Prochnik (Handelsvertreter), wohnte in Wien 14, Mariahilfer Straße 191, war zuletzt im Wintersemester 1937/38 an der Juridischen Fakultät im 2. Studiensemester inskribiert. Er war als Student Mitglied der jüdischen schlagenden Verbindung "Marchia" und im Sommersemester 1938 deren Senior, der die Auflösung des Corps zum 12. März 1938 bekannt geben musste.

Er wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen, das Studium abzubrechen und die Universität Wien zu verlassen.

Seit Oktober 1938 war er Mitarbeiter der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (Fragebogenabteilung bei der Passabteilung) und als enger Mitarbeiter von Benjamin Murmelstein mit der Organisation der Deportation der Jüdinnen und Juden von Wien befasst, leitete die zur "Aushebung" eingesetzten Ordner an, wurde "Perfektionist" in allen Transportfragen, unterstand der "Zentralstelle für jüdische Auswanderung", übertrat aber immer wieder deren Weisungen um mehr für die Flüchtenden zu erwirken. 1941 verfasste er einen Bericht zum Vergleich der Lage der Juden in Wien und Berlin (Prochnik-Report). Angefeindet für sein militantes Auftreten, ermöglichte er aber durch beachtliche organisatorische und logistische Leistungen unter widrigsten Bedingungen Hunderten Verfolgten die Ausreise nach Übersee – über die Sowjetunion und die Fernostroute sowie Frankreich.

Er wurde am 28. September 1942 gemeinsam mit seinem Vater und seiner Stiefmutter wegen "Schleichhandels" festgenommen. Alle wurden Ende Oktober 1942 nach Theresienstadt deportiert, wurde Leiter des Sekretariats des Judenältesten (Benjamin Murmelstein), kurz vor der Befreiung gelang es ihm, alle Listen und Matriken vor der Vernichtung zu bewahren. Robert Prochnik überlebte und wurde 1945 befreit.

Nach Kriegsende wurde Robert Prochnik leitender Funktionär des JOINT in München und Paris, ab 1948 liefen Ermittlungen gegen ihn in Wien,
aufgrund seiner Kollaboration und Mitarbeit an der Vorbereitung und Abfertigung der Deportationstransporte. Simon Wiesenthal erwirkte seine Entlassung. Prochnik wurde dann kaufmännischer Angestellter in Paris und Straßburg. 1954 erfolgte die Kollaborationsanklage in Wien, die Strafverfahren wurden aber 1955 eingestellt. Ab 1962 lebte Prochnik als Industrieller in London.

Robert Prochnik starb 1977.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale JUR 1937–1938; Doron RABINOVICI, Instanzen der Ohnmacht, Wien 2000, 168f.; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 452; DÖW-Nicht mehr anonym. Erkennungsdienstlichen Kartei der Gestapo Wien; LBI/J 427, Prochnik-Bericht; Gabriele ANDERL, Robert Prochnik – ein jüdischer Funktionär in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Dieter J. Hecht, Michaela Raggam-Blesch u. Heidemarie Uhl, Hg., Letzte Orte: die Wiener Sammellager und die Deportationen 1941/42, Wien/Berlin 2023, 127-136.


Herbert Posch


Robert Prochnik, Inskriptionsschein/Zulassungsschein ("Nationale") Juridische Fakultät, Wintersemester 1937/38, Vorderseite, Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Robert Prochnik, Inskriptionsschein/Zulassungsschein ("Nationale") Juridische Fakultät, Wintersemester 1937/38, Rückseite, Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien
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