Geb. am: | 18. September 1915 |
Fakultät: | Philosophische Fakultät |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Ernst Pulgram, geb. am 18. September 1915 in Wien/Österreich-Ungarn (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Sohn von Sigmund Pulgram (Schneider), wohnte in Wien 2., Hollandstraße 18. Er war zuletzt im Sommersemester 1938 an der Philosophischen Fakultät im 8. Studiensemester inskribiert und belegte Vorlesungen in Romanistik, Klassischer Philologie, Geschichte und Kunstgeschichte.
Er hatte sich bereits am 26. Jänner 1938 zu den Abschlussprüfungen (Rigorosen) angemeldet, am 5. März das einstündige Rigorosum mit Erfolg bestanden und wurde im Sommersemester 1938 im Rahmen des 2%-Numerus clausus für jüdische Studierende noch zum Weiterstudium bis zum Semesterende zugelassen, aber nicht mehr zu den Prüfungen. Er musste sein Studium abbrechen.
Nach dem "Anschluss" emigrierte Ernst Pulgram in die Schweiz, 1939 weiter in die USA. Nach zwei Jahren Dienst in der U. S. Army erwarb er 1943 die amerikanische Staatsbürgerschaft, absolvierte Dank der GI Bill of Rights (1944) zur Berufs- und Studienförderungen und zivilen Reintegration ausgemusterter Weltkriegssoldaten, ein Studium der Vergleichenden Sprachwissenschaften und promovierte 1946 in vergleichenden Sprachwissenschaften („The theory of proper names“) an der Harvard University.
Er lehrte dann anfangs am Union College in Schenectady in New York, und von 1948 bis zu seiner Emeritierung 1986 an der University of Michigan in Ann Arbor, erst als Assistant Professor, ab 1951 als Associate Professor, ab 1956 als Full Professor. 1979 wurde er „Hayward Keniston Distinguished Professor of Romance and Classical Linguistics“. Er baute zusammen mit Lawrence Bayard Kiddle die Romanistik in den USA aus und gründete 1949 das erste Sprachlabor.
Trotz seines Lebensmittelpunktes in den USA kehrte er immer wieder in das Nachkriegs-Europa zurück, studierte an der amerikanischen Akademie in Rom und machte Forschungsurlaube. Er pflegte lebenslange Freundschaften mit Künstler*innen und Wissenschafter*innen und sammelte ab den frühen 1960ern auch Kunstwerke von Klimt, Schiele und Kokoschka. Er nahm darüberhinaus Gastprofessuren an den Universitäten in Florenz/Italien, Köln, München und Regensburg/Deutschland, Wien und Innsbruck/Österreich, und an der International Christian University von Tokio/Japan wahr.
Zu seinen Werken gehört u.a. „The Tongues of Italy, Prehistory and History“ (Cambridge, MA 1958, New York 1969), „Syllable, word, nexus, cursus“ (Den Haag 1970), „Latin-romance phonology: Prosodics and metrics (Ars grammatica)“ (München 1975), „Applied Linguistics in Language Teaching“ (Washington, D. C. 1954), „Italic, Latin, Italian: 600 B.C. to A.D. 1260. Texts and commentaries“ (Indogermanische Bibliothek. Reihe 1, Lehr und Handbücher, Heidelberg 1978), „(ed.) Romanitas. Studies in romance linguistics“ (Ann Arbor, MI 1984) und „Practicing linguist: Essays on language and languages, 1950-1985“ (2 Bde., Heidelberg 1986–1988).
Ehrungen
Ernst Pulgram erhielt 1954 Pulgram ein Guggenheim-Stipendium und wurde in den USA mit dem Henry Russel Award ausgezeichnet und zweimal mit der Guggenheim- and American Council of Learned Societies Mitgliedschaft. Er war von 1978 bis 1979 Präsident der Linguistic Association of Canada and the United States (LACUS).
Am 7. Juni 1990 verlieh ihm die Geisteswissenschaftliche Fakultät der Universität Wien das Ehrendoktorat der Philosophie.
Die Ausstellung "Ausgegrenzt, Vertrieben, Ermordet" am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien erinnert 2010 an Ernst Pulgram und 20 weitere ehemalige Studierende der Universität Wien mit Schwerpunkt im Fach Kunstgeschichte (online).
Seit 2022 findet sich sein Name auch auf dem "Denkmal für die im Nationalsozialismus vertriebenen Geschichte-Studierenden und -Lehrenden der Universität Wien (Wenn Namen leuchten)", im ersten Stock des Hauptgebäudes der Universität.
Ernst Pulgram starb am 17. August 2005 in Irland.
Lit.: Archiv der Universität Wien / Nationale PHIL 1937–1938; Nachruf der University of Michigan [http://www.ur.umich.edu/0506/Oct17_05/obits.shtml]; Ausstellung »Ausgegrenzt, Vertrieben, Ermordet« am Institut für Kunstgeschichte der Universität Wien (2010) [https://www.univie.ac.at/geschichtegesichtet/2010/e_pulgram.html]; Wikipedia; freundlicher Hinweis seiner Witwe Frances McSparran, 2016.
Herbert Posch