Geb. am: | 05. Juli 1913 |
Fakultät: | Juridische Fakultät |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Edmund Raab, geb. am 5. Juli 1913 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Sohn von Heinrich Raab (1882-1942, Wurstfabrikant) und Irma Raab, geb. Rosenstrauch (1883-1942), wohnte in Wien 13, Wenzgasse 17 und hatte an der Universität Wien Rechtswissenschaften studiert.
Er war 1938 nicht mehr an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät inskribiert, sondern befand sich bereits im Stadium der Abschlussprüfungen.
Es war mehrere Monte unklar, ob er nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen wäre das Prüfungsverfahren abzubrechen und die Universität Wien ohne Studienabschluss zu verlassen. Er konnte, nach längerer Unsicherheit, doch noch sein Studium abschließen und am 31. Oktober 1938 unter zahlreichen symbolischen Diskriminierungen im Rahmen einer "Nichtarierpromotion" promovieren, bei gleichzeitig ausgesprochenem Berufsverbot im gesamten Deutschen Reich.
Edmund Raab stammte aus gutbürgerlichen Verhältnissen, war das einzige Kind seiner Eltern, die aus Böhmen nach Wien zugewandert waren und sich hier eine Existenz aufgebaut und 1912 im Tempel in Wien-Josefstadt geheiratet hatten. Der Vater war Hälfteeigentümer der Wurstfabrik "Ludwig Geiger OHG" (Wien 5, Wehrgasse 21 und Grüngasse 11) und Besitzer einer Tabak-Trafik in Wien 9, Spitalgasse 21, konnte 1932 ein Grundstück in Wien 13, Wenzgasse 17, erwerben und bis 1936 dort Haus und Garten errichten und seine Mutter besaß zu ihrer Absicherung Anteile an zwei Mietshäusern in Wien 9. Seine Lebenspläne, nach dem Jusstudium als Rechtsanwalt zu arbeiten, fügte sich in dieses Bild ein.
Doch nach der Machtergreifung des Nationalsozialismus setzte rasch und umfassend die Entrechtung, Enteignung, psychische und physische Verfolgung ein.
Edmund Raab musste aus Wien fliehen und er bemüht sich schon im Sommer 1938, während des Wartens auf die Zulassung zur Promotion, bei der Fürsorgezentrale der Israelitischen Kultusgemeinde Wien um Unterstützung für die Auswanderung nach Brasilien oder die USA. Er führt als Kontakte den Mann einer Cousine in Brasilien an (Norbert Gryzle in Rio de Janeiro), die Schwester seines Vaters in den USA (Ernestine und Sam Kranzler, Los Angeles) und den Bruder des Vaters in den USA (Hermann Raab, Bronx, New York City, NY). Als Beruf gab er den erhofften baldigen Abschluss des Jusstudiums an, aber auch Zusatzkenntnisse in englischer Kurzschrift und Handelskorrespondenz sowie Maschinschreiben und langjährige Erfahrung als Klavierspieler, sowie neben Deutsch- und Latein- auch Englisch- und Portugiesisch-Sprachkenntnisse.
Einige Monate nach der Promotion und gelang es ihm am 16. März 1939 schließlich nach Großbritannien auszureisen, wo er aber bald als enemy alien im Kitchener Camp, Richborough bei Sandwich, Kent, England interniert wurde. Erst als er Ende Oktober 1939 in der Londoner U.S.-Botschaft sein Visum für die USA erhielt, konnte er am 13. November 1939 von Liverpool/England in die USA ausreisen, wo er mit der SS Georgic am 22. November 1939 in New York City, NY, ankam mit dem Wunsch, zu seinem Onkel Samuel Kranzler nach Los Angeles weiter zu reisen um sich dort niederzulassen.
In Wien wurde in dieser Zeit der Besitz der Eltern enteignet ("arisiert") und sie wurden aus ihrem Haus vertrieben und mussten zwischen 1939 und 1942 vier Mal ihren Wohnort wechseln. Zuletzt wurden sie am 9. Juni 1942 ins Vernichtungslager Maly Trostinec bei Minsk|Мінск/Belarus deportiert und wenige Tage später am 15. Juni 1942 ermordet.
Edmund Raab arbeitete in Los Angeles anfangs in verschiedenen manuellen Berufen, u.a. als Aufzugswärter (Electric Elevatore Operator’s License vom 20. Mai 1942), und wurde schließlich Sozialarbeiter und fotografierte daneben auch.
Im Oktober 1940 wurde er in Los Angeles für die U.S.-Army gemustert – er wohnte damals in 1026 W 3rd street – und wurde am 15. Mai 1943 in die U.S.-Army aufgenommen – damals war er Buchhalter – aber schon nach zwei Wochen am 28. Mai 1943 wieder ehrenvoll entlassen.
Ab Oktober 1946 bemüht er sich aus den USA, über das Schicksal der Eltern zu erfahren und die Enteignungen der NS-Zeit bei den US-Besatzungsbehörden aber auch den österreichischen Behörden rückgängig zu machen, er erhielt aber nach mehrjährigen Verfahren 1950 lediglich einen Mietzinsentgang, aber die Liegenschaften wurden nicht restituiert.
Er selbst kehrte nie mehr nach Österreich zurück. Er war seit 22. Oktober 1943 U.S-Staatsbürger, unter Erweiterung seines Namens auf Edmund William Raab, und hatte am 18. Juli 1947 in Kalifornien die am 2. November 1919 in Kansas geborene Amerikanerin Lois F. Scritchfield geheiratet, Lehrerin in einer junior high school.
Sie lebten die nächsten Jahrzehnte an verschiedenen Adressen in und um Los Angeles, CA (1948: 915 S Kenmore Avenue; 1950: 915 W 9th street; 1954: 5403 W 119th street; 1962: 218 S Poinsettia Place; 1971: 334 N Sycamore Avenue, zuletzt: 1040 N Gardner street #6, West Hollywood).
Ein 1961 von Edmund W. Raab angestrengtes Verfahren beim Abgeltungsfonds endete nach Jahren mit einer teilweisen Entschädigung für das geraubte Vermögen, ein 1965 beim Hilfsfonds eingereichtes Verfahren wegen "Entschädigung für Berufsschäden" wurde Anfang 1971 ebenfalls mit einer teilweisen Entschädigung beendet
Dr. Edmund W. Raab starb am 20. September 1974 in Los Angeles, CA/USA.
Er hat u.a. eine umfangreiche Dia-Sammlung von Tanz- und Theateraufführungen der 1950er bis 1970er Jahre im Raum Los Angeles hinterlassen, die von seiner Witwe Lois S. Raab 1993 der University of California Los Angeles gestiftet wurde und die heute als "Edmund W. Raab collection of photographic slides, 1950-1974" in der "UCLA Library Special Collections" öffentlich zugänglich ist.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale IUR 1932–1938, Rigorosen IUR 268 (1937/38), Promotionsprotokoll IUR X (1924–1939) 6542; Österreichisches Staatsarchiv OeStA/AdR/E-uReang/VVSt/VA 45700 u. VA 45184, OeStA/AdR/E-uReang/Hilfsfonds/NHF 38868, OeStA/AdR/E-uReang/FLD 15047, OeStA/AdR/E-uReang/Hilfsfonds/Abgeltungsfonds 6528 u. 11519; Wiener Stadt- und Landesarchiv WStLA/ 1.3.2.119.A41 I-428, Bezirk: 5, WStLA/ 1.3.2.119.A41 624, Bezirk: 13, WStLA/ 1.3.2.119.A41 609; 40, Bezirk: 13; POSCH 2009, 373; www.genteam.at; www.doew.at; yvng.yadvashem.org; heritage.statueofliberty.org/passenger; www.findbuch.at; oac.cdlib.org/findaid/ark:/13030/c8br8t5d/; www.ucla.edu; www.ussearch.com; freundlicher Hinweis von Peter Zander, Wien 07/2022.
Herbert Posch, Peter Zander