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Otto Michael Popper

Geb. am: 06. Oktober 1915
Fakultät: Juridische Fakultät
Kategorie: Vertriebene Studierende
Otto (Michael) POPPER, geb. am 6. Oktober 1915 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), war der Sohn von Dr. Michael (Ottokar) Popper (1859-1942, bis zu seiner Pensionierung Zentraldirektor der Clam-Gallas’schen Güterverwaltung) und dessen Ehefrau Maria, geb. Lintschnik (Lientschnik) (1889-1988). Er wohnte bei seiner Mutter in Wien 3, Beatrixgasse 3a/19, während sein Vater seit 1923 in der Zweitwohnung der Familie in Wien 1, Vorlaufstraße 5/7 gemeldet war. Seine Eltern heirateten am 8. Juli 1922.
Nach der Reifeprüfung am Schottengymnasium in Wien 1 begann Otto Popper im Wintersemester 1933/34 an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät der Universität Wien Jus zu studieren. Er war zuletzt im Wintersemester 1937/38 im 9. Studiensemester inskribiert (Absolutorium ausgestellt am 31. Jänner 1938). Er bestand im Februar 1938 das judizelle Rigorosum, im Juli 1938 das staatswissenschaftliche Rigorosum und im Dezember 1938 das letzte, rechtshistorische Rigorosum. Am 12. Dezember 1938 konnte er promovieren und damit an der Juridischen Fakultät der Universität Wien den Grad eines Dr. iur. erwerben. Nach den nationalsozialistischen Rassegesetzen galt sein 1888 zum römisch-katholischen Glauben konvertierter Vater Michael Popper als "Jude", während seine Mutter Maria Popper als "Arierin" kategorisiert wurde. Otto Popper galt daher im Nationalsozialismus – obwohl römisch-katholisch getauft – als "Mischling ersten Grades".
Er meldete sich am 20. Mai 1940 von seiner Adresse in Wien 3, Beatrixgasse 3a/19 ab und flüchtete vor der nationalsozialistischen Verfolgung nach Mailand/Italien. Dort wohnte er zuletzt in Largo Augusto, bevor er im Oktober 1941 für eine Woche nach Wien zurückkehrte und kurzzeitig wieder bei seiner Mutter wohnte (Seine Eltern verkauften 1941 Teile ihrer ethnografischen Sammlung an das Museum für Völkerkunde in Wien, das einige der Objekte aus Südamerika bereits in den 1930er Jahren als Leihgabe übernommen hatte). Ein weiteres Mal reiste Otto Popper von 30. Juni bis 8. Juli 1942 nach Wien – zwei Monate nachdem sein Vater am 22. April 1942 verstorben war –, und kehrte danach wieder nach Mailand zurück. 1943 wurde Otto Popper an der italienisch-deutschen Grenze verhaftet und wie viele Antifaschisten in das Gefängnis San Vittore in Mailand eingeliefert, das unter deutscher Verwaltung stand. Er war Vater zweier Söhne, der jüngere war nach seiner Verhaftung zur Welt gekommen und er sollte ihn nie sehen. Sie konnten gemeinsam mit ihrer Mutter Ariane Dufaux nach Genf/Schweiz flüchten, wo sie den Krieg überlebten.
Während seiner 7-monatigen Haft in San Vittore wurde Otto Popper als Dolmetscher eingesetzt. In dieser Position konnte er die Widerstandsbewegung im Gefängnis wesentlich unterstützen, indem er den Informationsaustausch sowohl unter den politischen Häftlingen als auch zur Außenwelt aufrechterhielt. Er erhielt zahlreiche versteckte Hilfspakete mit Nahrungsmitteln von Freunden in Freiheit, die er unter den Gefangenen verteilte, und sprach den Mithäftlingen Mut zu.
Später wurde Popper von San Vittore in das Polizeihaft- und Durchgangslager Fossoli nahe Carpi in Modena gebracht, das Anfang März 1944 von der SS übernommen wurde. Das Lager wurde im Sommer aufgrund des Herannahens der Alliierten aus dem Süden evakuiert und die verbliebenen Häftlinge sowie das Wachpersonal weiter nach Norden in das neu eingerichtete Durchgangslager Bozen/Bolzano-Gries verlagert. Am 5. August 1944 verließ Otto Popper mit dem ersten großen Transport Bozen, der am 7. August das Konzentrationslager Mauthausen erreichte. Wie Otto Popper waren die meisten der 307 anderen Häftlinge des Transports als italienische "Schutzhäftlinge" kategorisiert, ein Großteil von ihnen kam aus dem Durchgangslager Fossoli. Er wurde in der Zugangsliste als „Dolmetscher“ geführt und erhielt die Häftlingsnummer 82482.
In Mauthausen wurden alle Häftlinge des Transports zunächst im Quarantäneblock untergebracht, wo Popper Enea Fergnani (geb. am 24.12.1896 in Dento) wiedersah, der ebenfalls über San Vittore, Fossoli und Bozen nach Mauthausen gebracht worden war. Anfang September wurde Otto Popper in das Außenlager des KZ Mauthausen „Linz III“ im Linzer Stadtteil Kleinmünchen überstellt, wo er als Hilfsschreiber in Block 10 die Aufgabe hatte, Listen der kranken Häftlinge, für Arbeitskommandos und für Überstellungen in andere Baracken oder Lager zu führen. Diese Funktion verschaffte ihm gewisse Vergünstigungen für das Überleben im KZ, wie ein eigener Schlafplatz und zusätzliche Essensrationen, er konnte dadurch aber auch und einigen (v.a. italienischen) Mithäftlingen helfen, indem er ihre Zuteilung in „bessere“ Arbeitskommandos organisierte und ihnen Essen gab. Etwa zwei Wochen später wurde auch Fergnani nach Linz transportiert, mit dem er täglich Kontakt hielt.
In Linz verschlechterte sich Poppers Gesundheitszustand rasch. Seinem Mithäftling Fergnani gegenüber klagte er erstmals am 18. Oktober 1944 über Knieschmerzen, die von einem Ödem herrührten, das sich über den Unterschenkel ausbreitete, und eine beginnende Nierenentzündung – tags darauf wurde er in die Krankenstation überstellt. Als am 24. Oktober eine Lungenentzündung hinzu kam, nahmen seine Freunde Abschied. Er starb tags darauf am 25. Oktober 1944 im Krankenrevier. Sein Freund Enea Fergnani hielt dazu in seinem Buch fest:
"Ora sono solo. L'ultimo degli amici il piú nobile il piú generoso, quello che tutto chiedeva' per gli altri' e nulla per sé, che spartiva ogni giorno il suo pane e la sua zuppa, che illuminava con la sua infinita bontà le tenebre di questo campo, si è spento. Da San Vittore a Fossoli e. da Bolzano a Mauthausen, egli era salito fino al vertice del sacrificio e della bontà. Piú di noi tutti, suoi compagni di carcere e di deportazione egli era meritevole di salire ancora piú in alto e vi è salito. Domani sarà buttato, nudo, con un numero appeso al piede, nella carretta dei morti, sarà portato lassú per esserví distrutto, perché nulla piú resti di lui. Ma le fiamme non potranno distruggere il suo spirito, che è salito ben piú in alto del colle di Mauthausen e che rimarrà vivo e splendente a guidarci nel cammino che ci resta ancora da compiere." (FERGNANI 1945, 289) Am 26. Mai 1945 erschien in der italienischen Tageszeitung „Azione del popolo“ ein Artikel eines Mithäftlings, A. Dello Siesto, aus San Vittore, der Otto Popper wegen seiner aufopfernden Hilfe für die Mitgefangenen als "Engel von San Vittore" bezeichnete. Erst am 7. Dezember 1950 erkannte das Landesgericht für Zivilrechtssachen in Wien, Abt. 48, den Tod Otto Poppers als bewiesen an. Seine Mutter hatte einen Antrag auf Todeserklärung gestellt, um Versorgungsansprüche geltend machen zu können. Im Rahmen des Projekts "A Letter to the Stars" legte Oliver Kratz aus Wien im Mai 2006 an der letzten Adresse von Otto Michael Popper Blumen der Erinnerung nieder.
Als Folge der Provenienzforschung am Museum für Völkerkunde (Dr. Gabriele Anderl) beschloss der Kunstrückgabebeirat 2007 die Restitution der 1941 an das Museum verkauften präkolumbischen Keramiken aus der Sammlung der Eltern. 2008 erfolgte die Rückgabe der Gegenstände an einen Sohn Otto Poppers.


Lit.: POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 451; freundlicher Hinweis seines Sohnes Michele Popper, Italien, 2014; Archiv der Universität Wien, Juridische Fakultät: Nationale 1933-1938, Protokoll Judizelle Staatsprüfung (Nr. 0254, 19.9.1938), Rigorosenprotokoll (Nr. 339) u. Promotionsprotokoll (Nr. 6595); Archiv der KZ-Gedenkstätte Mauthausen, Datenbank der Häftlinge, Totenbuch (AMM/Y46, Nr. 4519), Zugangsliste vom 8.8.1944 (AMM/Y50/158/02/12/158-163, hier 162); Wiener Stadt- und Landesarchiv, Historische Meldeunterlagen, Auskunft 2014 u. Landesgericht für Zivilrechtssachen (LZS), A 26, 48 T 1639/50, Todeserklärung; Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Vermögensanmeldungen der Eltern Michael Ottokar Popper (VA 31193) u. Maria Popper (VA 31194); Gabriele ANDERL, Provenienzforschung am Museum für Völkerkunde Wien, in: Archiv für Völkerkunde 59/60 (2009), 23-27; Enea FERGNANI, Un uomo e tre numeri. San Vittore, Fossoli, Mauthausen, Milano 1945; Katharina KNIEFACZ u. Herbert POSCH, Otto Michael Popper. In: Andreas Kranebitter (Hg.), Gedenkbuch für die Toten des KZ Mauthausen und seiner Außenlager, hg. vom Verein für Gedenken und Geschichtsforschung in österreichischen KZ-Gedenkstätten, Band 1: Kommentare und Biografien, Wien 2016, 332–333; KNIEFACZ/POSCH 2016BMUK Kulturbericht 2008, 27; Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Datenbank Shoah-Opfer; Datenbank "Raum der Namen: Die Toten des KZ Mauthausen"; Transports from Italy to Mauthausen; Yad Vashem – Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer; A Letter to the Stars.


Katharina Kniefacz und Herbert Posch


Nationale von Otto Popper, Wintersemester 1937/38 (Vorderseite), Foto: Katharina Kniefacz (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Otto Popper, Wintersemester 1937/38 (Rückseite), Foto: Katharina Kniefacz (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Otto Popper, Wintersemester 1933/34 (Vorderseite), Foto: Katharina Kniefacz (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Otto Popper, Wintersemester 1933/34 (Rückseite), Foto: Katharina Kniefacz (c) Archiv der Universität Wien

Zeitungsartikel über Otto Popper in der italienischen Tageszeitung "Azione del popolo", 26. Mai 1945

Otto Michael Popper als Student (c) Michele Popper

Otto Michael Popper als Student (c) Michele Popper

Otto Michael Popper (c) Michele Popper

Otto Michael Popper an der Universität Wien (c) Michele Popper

Otto Michael Popper, "Legitimation" (Studentenausweis) der Universität Wien 1933, (c) Michele Popper

Otto Michael Popper, "Meldungsbuch" der Universität Wien, Duplikat 1937, (c) Michele Popper

Otto Michael Popper, Bekanntgabe der Promotion, Dezember 1938, (c) Michele Popper
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