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Max Berliner

Geb. am: 24. September 1883
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Doktorgradaberkennung

Max BERLINER, geb. am 24. September 1883 in Sereth, Bukowina/Österreich-Ungarn [Siret/Rumänien], Sohn von Adolf Berliner (pensionierter Beamter), maturierte 1904 am Staatsgymnasium in Czernowitz, Bukowina/Österreich-Ungarn [Чернівці Tscherniwzi, Ukraine] und studierte ab 1904/05 an der Universität Wien Medizin (u.a. mithilfe von Stipendien der Johann von Seyfert'schen Stiftung und der Medizinischen Fakultät) und war Mitglied (später "Alter Herr") der Jüdisch-Akademischen Verbindung "Unitas" Wien.

Er promovierte am 9. Februar 1910 an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien zum "Dr. med.", war damals bereits Demonstrator und Aspirant an der Universitäts-Kinder-Klinik in Wien und spezialisierte sich auf interne Medizin, war Mitglied der Wiener Ärztekammer und wurde 1910 Sekundararzt am Wilhelminenspital. Daneben arbeitete er als Assistenzarzt im Sanatorium Purkersdorf tätig, bevor er 1913 zum Chefarzt des Parksanatorium Hütteldorf-Hacking ernannt wurde. In einem Teil davon richtete er am Beginn des Ersten Weltkrieges ein Lazarett ein und war daneben bis 1918 auch Chefarzt im Reservespital Nr. 15.
Er heiratete im März 1920 in Wien Gertrude, geb. Wedriner (geschiedene Schlesinger, 1881-1963) - sie war die  Verwaltungsleiterin des Sanatoriums Purkersdorf - und brachte zwei Kinder mit in die Ehe und 1921 wurde der gemeinsame Sohn Walter geboren.
Im Juli 1927 wechselte Max Berliner vom Sanatorium Hütteldorf-Hacking als Chefarzt an das Sanatorium Westend in Purkersdorf, wurde im Februar 1932 vom Bundespräsidenten mit dem Titel "Medizinalrat" geehrt und im Oktober 1933 auch noch zum Chefarzt des Parksanatoriums in Perchtoldsdorf ernannt. Im Oktober 1936 übernahm er als Direktor und Chefarzt wieder das Parksanatorium Hütteldorf-Hacking.

Unmittelbar nach dem "Anschluss" musste Max Berliner mit seiner Familie vor der rassistischen Verfolgung durch den Nationalsozialismus 1938 aus Wien fliehen. Hier halfen die Kontakte seiner Patient*innen - u.a. zum Wiener Polizeipräsidenten, Königin Maria von Rumänien, König Peter von Jugoslawien u. a. einflussreiche Persönlichkeiten in Österreich und Europa. Max Berliner und seine Familie wurden aus der Wohnung in der Direktionsvilla im Sanatorium Hütteldorf in Wien 13, Vinzenz Hess Gasse 29 vertrieben, er selbst wurde verhaftet, kam aber sehr rasch wieder frei. Die Familie lebten von Juli bis Oktober in Wien 6., Mariahilfer Straße 47/3 bis über Vermittlung des jugoslawischen Königshauses die Flucht mit Frau, Sohn und Stieftochter nach Jugoslawien möglich wurde. Nach einigen Monaten konnten sie von dort nach Menton, im Süden Frankreichs, reisen wo sie ein Jahr lebten bevor sie angesichts der Kriegs-Bedrohung nach Großbritannien emigrierten, wo sich die Familie in der Nähe von London in Asthead, Surrey/Großbritannien niederließ. Max Berliner wurde zum ärztlichen Leiter - und seine Frau zur administrativen Leiterin - all jener Hostels für jüdische Flüchtlinge und Displaced Persons (DPs) in England ernannt, die von der jüdischen Hilfsorganisation "Bloomsbury House" damals gegründet worden waren.
Sein Sohn Walter Berliner wurde 1940 als "enemy alien" auf der Isle of Man interniert, später mit dem berüchtigten Schiff "Dunera" nach Indien deportiert, kam von dort mit der Hilfe des Roten Kreuzes nach Australien von wo aus er 1941 in die USA emigrieren konnte, mit Unterstützung von Ernest Pollitzer. Walter Berliner trat in die US-Army ein, kehrte als Intelligence officer nach Europa zurück, wurde Amerikaner heiratete 1947 in Frankfurt und kehrte mit ihr nach New York zurück und holte nach dem Tod des Vaters auch seine Familie aus England in die USA nach.

Aufgrund der erfolgreichen Flucht war Max Berliner, seiner Frau und seinem Sohn vom Deutschen Reich am 11. Jänner 1941 aus rassistischen Gründen die deutsche Staatszugehörigkeit aberkannt sowie das gesamtes Vermögen beschlagnahmt worden. Beides wurde im Deutschen Reichsanzeiger Nr. 12 vom 15. Jänner 1941 verlautbart und als weitere Folge wurde ihm am 8. Mai 1941 von der Universität Wien auch der akademische Doktorgrad aberkannt, da er im Nationalsozialismus "als Jude als eines akademischen Grades einer deutschen Hochschule unwürdig" galt.

Erst 62 Jahre nach der Aberkennung und sehr lange nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde ihm der Doktorgrad am 10. April 2003 feierlich wieder zuerkannt, bzw. die Aberkennung posthum für "von Anfang an nichtig" erklärt.

Max Berliner starb am 29. März 1947 in Leatherland, Surrey/England und ist am Hoop Lane Cemetery, Golders Green, London, beigesetzt.
Doch war dies in Österreich nicht bekannt, weshalb 1965 ein Toterklärungsverfahren eingeleitet wurde, da es auch Hinweise gab, dass er eventuell deportiert und ermordet worden sein könnte. In Ermangelung eines konkreten Todesdatums wurde er daher 1965 amtlich für tot erklärt und als offizielles Sterbedatum wurde der 31. Dezember 1943 festgesetzt. Deshalb finden sich auch die Angaben 1943 und 1965 als Todesjahr manchmal in der Literatur oder in Gedenk- und Erinnerungsprojekten, z.B. im Projekt "Erinnern für die Zukunft", das zum Andenken an 24 deportierte und ermordete Bewohner*innen von Wien-Mariahilf Gedenksteine verlegte, u.a. einen an der Mariahilfer Straße 47 für Max Berliner mit dem Todesdatum 1943, bzw. auf der Gedenktafel im Sanatorium Perchtoldsdorf (heute: OptimaMed Rehabilitationszentrum Perchtoldsdorf) für die dort im Nationalsozialismus vertriebenen Ärzte, wo bei Max Berliner als Todesdatum 1965 angegeben wird.


Lit.: Archiv der Universität Wien, Pormotionsprotokoll MED 1904-1912, Nr. 1021; Österreichisches Staatsarchiv/Archiv der Republik/Enteignungs- und Restitutionsangelegenheiten: Hilfsfonds/Abgeltungsfonds 5444, FLD 4585, VVSt/Gew. 2454; Wiener Stadt- und Landesarchiv: 1.3.2.119.A41 C 1325, Bezirk: 1 und Historisches Meldearchiv; NÖ ÄRZTECHRONIK 1990; POSCH/STADLER 2005; POSCH 2009, 393; Lillian Berliner, And the Month Was May. A Memoir, iUniversity:Bloomington/IN 2009; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2024; freundliche Hinweise von Dr.in Barbara Sauer, Wien 2015, Regina Thumser-Wöhs 2016, Carol Berlin 2017 und Dr. Gregor Gatscher-Riedl, Perchtoldsdorf 06/2020.


Herbert Posch


Max Berliner, Promotionseintrag mit Aberkennung, Promotionsprotokoll Medizinische Fakultät 1904-1912, Foto: Herbert Posch, (c) Archiv Universität Wien

Max Berliner, Wiederverleihung vom 10. April 2003, Promotionsprotokoll Medizinische Fakultät 1904-1912, Foto: Herbert Posch, (c) Archiv Universität Wien

Max Berliner

Max Berliner

Sanatorium Hütteldorf-Hacking, Chefarzt: Max Berliner

Waldsantorium Perchtoldsdorf, 1930, Chefarzt: Max Berliner, Postkarte, © Archiv Marktgemeinde Perchtoldsdorf

Sanatorium Purkersdorf, Chefarzt: Max Berliner

Max Berliner Unitas

Max Berliner Totenschein

Grabstein Max Berliner, Hoop Lane Cemetery, Golders Green, London, Foto: Christian Hartmeier
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