Geb. am: | 15. August 1897 |
Fakultät: | Philosophische Fakultät |
Kategorie: | Vertriebene Studierende |
Penina GOTTFRIED, geb. am 15. August 1897 in Buczacz, Galizien/Österreich-Ungarn [später: Polen, heute: Butschatsch|Бучач/Ukraine] (Staatsbürgerschaft 1938: Polen), besuchte 5 Jahre das k.k. Gymnasium in Buczacz, Galizien, als Privatistin und absolvierte die letzten drei Klassen ab 1914 als Privatistin in Wien und legte jedes Jahr eine entsprechende Prüfung vor der Staatsprüfungskommission am Wiener Landesschulamt in Wien 8 ab und hatte dort am 7. Oktober 1917 ihre Reifeprüfung (Matura) abgelegt und anschließend 1917/18 den Abiturientenkurs an der Neuen Wiener Handelsakademie. Ab Wintersemester 1918/19 inskribierte sie für zwei Semester an der Philosophischen Fakultät, ab Wintersemester 1919/20 begann sie an der Rechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultät ein Jusstudium an der Universität Wien. Sie lebte in Wien 2., Taborstraße 38/27 und wechselte im Wintersemester 1926/27 an die Philosophische Fakultät und studierte bis zum Sommersemester 1930 Geschichte im Hauptfach und Altertumskunde im Nebenfach. Sie befand sich seither im Stadium der Abschlussprüfungen.
Sie hatte sich am 23. Juli 1937 zu den Abschlussprüfungen (»Rigorosen«) in Geschichte angemeldet und ihre Dissertation "Die letzten Regierungsjahre Maria Theresias. Konflikte zwischen der Kaiserin Maria Theresia und dem Kaiser Joseph II. in den letzten Jahren der Mitregentschaft", die am 27. September 1937 von den Gutachtern Prof. Wilhelm Bauer (1877–1953) und Prof. Otto Brunner (1898–1982) approbiert worden war. Das erste Rigorosum ("Philosophicum") hatte sie am 15. Dezember 1937 beim Pädagogen Prof. Richard Meister und dem Psychologen Prof. Karl Bühler bestanden. Nach dem "Anschluss" und der Machtergreifung des Nationalsozialismus konnte sie als Ausländerin noch am 1. Juli 1938 zum zweiten Rigorosum antreten, musste aber bei einem der drei Prüfer, Prof. Otto Brunner, reprobieren und konnte erst am 26. Oktober zur Wiederholung antreten, die sie dann auch bestand. Somit konnte sie, nach längerer Unsicherheit, zwar noch ihr Studium abschließen und am 31. Oktober 1938 noch promovieren, aber nur unter zahlreichen symbolischen Diskriminierungen im Rahmen einer "Nichtarierpromotion", bei gleichzeitig ausgesprochenem Berufsverbot im gesamten Deutschen Reich.
Sie wohnte mit Dr. phil. Abraham Gottfried (1883-1938), Versicherungsvertreter, und Rebekka Henia Gottfried (1885-1942) in Wien 2, Taborstraße 38/2/3/27.
Abraham Gottfried wurde nach den Novemberpogromen am 12. November 1938 verhaftet, mit über 2.000 anderen Juden in das Notarrest Wien 7, Kenyongasse 4 (aufgelöste Klosterschule) eingeliefert. Laut einem Bericht des Wiener Polizeipräsidenten Karl Vitzthum an Gauleiter Josef Bürckel erschoss ihn dort einer der wachhabenden SS-Männer, Otto Seethaler von der SS-Standarte "Der Führer", durch Kopfschuss, angeblich als Reaktion auf einen Versuch, nach seinem
Bajonett zu greifen.
Dr. Penina und Rebeka Gottfried lebten noch bis November 1940 in ihrer alten Wohnung, danach bis Ende Mai 1942 in Wien 8, Schlösselgasse 26/3/18. Obwohl das National Council of Jewish Women in Baltimore, MD/USA bereits für beide eine Einzahlung gleistet hatte, um ihnen eine Emigration in die USA zu ermöglichen, wurden beide verhaftet und in Wien 2, Kleine Sperlgasse 2a inhaftiert und am 16. Juni 1942 deportiert – nicht wie ursprünglich geplant nach Izbica/Polen, sondern direkt vom Wiener Aspangbahnhof in das deutsche Vernichtungslager Sobibór im besetzten Polen.
Dr. Penina Gottfried und Rebekka Gottfried überlebten nicht.
An sie wird an der Universität Wien hier seit 2009 im "Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938" erinnert und seit 2022 auch auf dem "Denkmal für die im Nationalsozialismus vertriebenen Geschichte-Studierenden und -Lehrenden der Universität Wien | Wenn Namen leuchten".
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale IUR, PHIL 1926-1938, Rigorosenakt und -protokoll PHIL 13707, Promotionsprotokoll PHIL 1931–1942 Nr. 2864; ÖStA/VVST/VA 1166; DÖW R 9535; POSCH 2009, 367; POSCH/FUCHS 2022, 90–91; DÖW-Opferdatenbank; Yad Vashem Opferdatenbank; American Jewish Joint Distribution Committee (JDC)/Einzahlungskarten des Jewish Transmigration Bureau (Büro jüdischer Auswanderung) 1939-1954; www.ancestry.de.
Herbert Posch