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Josef Burg

Geb. am: 30. Mai 1912
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Vertriebene Studierende
Josef BURG, geb. am 30. Mai 1912 in Wischnitz, Bukowina/Österreich-Ungarn [später Vijnita/Rumänien, heute Wyžnycja|Вижниця/Ukraine] (heimatberechtigt in Czernowitz, Bukowina/Österreich-Ungarn [später Cernăuți/Rumänien, heute Чернівці Tscherniwzi/Ukraine], Staatsbürgerschaft: Rumänien), Sohn von Chune Burg (Arbeiter, Flößer). Er lebte mit der Familie ab 1924 in Czernowitz|Cernăuți/Rumänien und absolvierte das dortige Lehrerseminar am Jiddischen Schulverein. 1934 kam er nach Wien um hier Germanistik zu studieren und wohnte bei seiner Tante in Wien 2, Rueppgasse 16/4. Er war von 1934 bis 1938 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien inskribiert und studierte Germanistik. Er war zuletzt im Wintersemester 1937/38 - nunmehr als außerordentlicher Hörer im 1. Studiensemester - an der Philosophischen Fakultät inskribiert, arbeitete an seiner Dissertation über "Sprache und Ziel bei Heinrich Heine" und belegte Vorlesungen in Geschichte und Pädagogik. Er wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen, das Studium abzubrechen und die Universität Wien zu verlassen. Er musste 1938 aus Wien fliehen und da ein Versuch nach England zu emigrieren nicht gelang ging er erst nach Prag und noch 1938 zurück nach Czernowitz, wo ihm aber in der Zwischenzeit als Jude die rumänische Staatsbürgerschaft aberkannt worden war. Nach dem Einmarsch der Roten Armee blieb er noch in Czernowitz, vor der herannahenden Deutschen Wehrmacht musste er aber 1941 in die Sowjetunion fliehen.
Zwischen 1940 und 1980 konnte er nicht publizieren sondern arbeitete vielmehr u.a. als Deutschlehrer in Saratov in der Wolgadeutschen Republik, als Landarbeiter in einer Kolchose in Taschkent, als Soldat in Zentralasien und nach Kriegsende als Lehrer für fremdsprachige Literatur an der Pädagogischen Hochschule in Iwanowo bei Moskau. Dort lernte er 1946 seine spätere Frau Nina Obolenskaja (1921-2007) kennen, schloss 1947 sein Studium in Moskau mit der Aspirantur ab und zog mit seiner Frau und der gemeinsamen Tochter später nach Stalingrad [Volgograd] und in den Kaukasus bevor er zwischen 1957 und 1959 wieder in das mittlerweile zur Ukraine gehörende Czernowitz als Deutschlehrer und Literaturwissenschaftler zurückkehrte und sich literarisch intensiv für die Erhaltung der Erinnerung an die fast vergessene jiddische Literatur engagierte. Seine Erzählungen wurden ab 1980 in der seit 1961 in Moskau erscheinenden jiddischen Zeitschrift "ssowetisch hejmland", aber auch in den USA, in Israel und Polen veröffentlicht. Er galt als der letzte jiddische Schriftsteller in Czernowitz und hat seine Erzählungen, Skizzen und Kurzgeschichten auf Deutsch und auf Jiddisch (in hebräischer Schrift) verfasst. Seine erste Erzählung konnte er noch zu Beginn seines Germanistikstudiums 1934 in der Zeitschrift "tschernowizer bleter" veröffentlichen, die 1938 zwangseingestellt wurde und von ihm ab 1990 als jiddische Monatszeitschrift wieder herausgegeben wurde. Zwischen 1940 und 1980 schrieb er "für die Schublade" und konnte ab 1980 wieder publizieren. Zu seinen Werken gehören u.a. Dos Leben geit waiter. Derzeilungen, Nowelen, Skizen (1980); afn tschermosch (Auf dem Czeremosz, Bukarest 1939; deutsch: Winsen 2005); ssam (Gift, Czernowitz 1940; deutsch: Winsen 2005); doss lebn gejt wajter (Das Leben geht weiter, Moskau 1980); iberruf fun zajtn (Über die Zeiten hinweg, Moskau 1983); a farschpetikter echo (Ein verspätetes Echo, Moskau 1990; deutsch: München 1999); Ein Gesang über allen Gesängen (Leipzig 1988); Sterne altern nicht (Winsen 2004); Dämmerung (Winsen 2005); Mein Czernowitz (Winsen 2006); Begegnungen. Eine Karpatenreise (Winsen 2006); Über jiddische Dichter (Winsen 2007) und zuletzt Ein Stück trockenes Brot (Winsen 2008). Burg wurde 1992 mit dem israelischen Segal-Preis für Literatur, 1993 mit dem Ehrentitel Verdienter Kulturschaffender der Ukraine, 1997 mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse ausgezeichnet und wenige Monate vor seinem Tod 2009 mit dem Theodor-Kramer-Preis.
Ein Vorlass befindet sich auf Initiative von Prof. Wendelin Schmidt-Dengler seit 1997/1998 im Literaturarchiv der Österreichischen Nationalbibliothek. Josef Burg starb 97-jährig am 10. August 2009 in Czernowitz|Tscherniwzi/Ukraine und ist in der Ehrenallee des dortigen neuen städtischen Friedhofs begraben.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1934-1938; BOLBECHER/KAISER 2000, 130f.; BLUMESBERGER 2002, 188;POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 370; Theodor-Kramer-Preis 2009; Literaturarchiv/ÖNB; Thomas TRENKLER, Josef Burg im Interview, in: Kulturzeitschrift morgen 2009; Bukowina-Portal; Helene BELNDORFER, Josef Burg (1912-2009): Erinnerung an einen Freund, in: Chilufim. Zeitschrift für jüdische Kulturgeschichte 07/2009, 1–5; Raphaela KITZMANTEL, Die jiddische Welt von Gestern. Josef Burg und Czernowitz, Wien 2012.


Herbert Posch


Nationale von Josef Burg, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Josef Burg, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Gedenktafel für Josef Burg an seinem Wohnhaus in der vul. Andrija Šeptyc’koho 13, Чернівці|Tscherniwzi|Czernowitz, Ukraine
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