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Isak Wurman

Geb. am: 21. Dezember 1909
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Vertriebene Studierende
Isak WURMAN, geb. am 21. Dezember 1909 in Nadwórna, Galizien/Österreich-Ungarn [später: Polen, heute: Nadvirna|Надвірна/Ukraine] (heimatberechtigt in Buczacz/Polen [Butschatsch|Бучач/Ukraine], Staatsbürgerschaft 1938: Polen), Sohn von Josef Wurman (Schlächter, geb. 16. Juni 1880 in Buczacz/Polen), wohnte in Wien 2, Hammer-Purgstall-Gasse 4/9.
Er hatte als Jugendlicher das Gymnasium abgebrochen – trotz guten Erfolgs und obwohl er anfangs zusätzlich auch noch den Nachmittagsunterricht des jüdischen Zwi-Perez-Chajes-Gymnasium über Hebräische Sprache und Kultur absolviert hatte – um sich auf die Alija, die Auswanderung nach Palästina [Israel], vorzubereiten und arbeitete in verschiedenen Fabriken um sich praktische Kenntnisse anzueignen und war Mitglied von "Mizrachi". Nach dem vorläufigen Scheitern dieses Plans aus familiären Gründen entschied er sich 22-jährig für die Fortsetzung seiner höheren Schulbildung und legte 1934/35 am Bundesrealgymnasium in Wien 14 (Dieffenbachgasse) die Reifeprüfung (Matura) mit Auszeichnung ab und begann anschießend ab dem Wintersemester 1934/35 an der Universität Wien zu studieren (mit einer Unterbrechung im Sommersemester 1935) und belegte schwerpunktmäßig Lehrveranstaltungen aus Orientalistik (Hebräisch, Arabisch, Syrisch u.a.), Ge-schichte und Volkswirtschaft, daneben aber auch aus Philosophie, Psychologie, Mathematik und Statistik. Nebenbei gab er selbst Hebräischunterricht. Er war zuletzt im Wintersemester 1937/38 an der Philosophischen Fakultät im 6. Studiensemester inskribiert und belegte Vorlesungen in Geschichte und Philosophie (Abgangszeugnis vom 10. Mai 1938). Er wurde im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" aus rassistischen Gründen gezwungen, das Studium abzubrechen und die Universität Wien zu verlassen. Bilha Shilo stellte in ihren Forschungen über Studentengesuche an die Hebräischen Universität Jerusalem fest, dass Isak Wurman noch rechtzeitig aus Wien flüchten und in das neutrale Belgien emigrieren konnte, das vorerst ein sicheres Land zu sein schien. Er griff seinen ursprünglichen Lebensplan, nach Palästina auszuwandern, wieder auf und versuchte ab Januar 1940 an der Hebräischen Universität Jerusalem aufgenommen zu werden und mit einem der begehrten Studentenzertifikate legal in das Britische Mandatsgebiet Palästina [Israel] zu gelangen. Neben der Erreichung des ursprünglichen Lebensplans, der Alija, und dem Wunsch, sein Studium fortzusetzen und abzuschließen, war aber auch immer mehr die Notwendigkeit verbunden, den immer bedrohlicheren Verfolgungen zu entkommen. Anfang Mai wurde er zum Studium zugelassen, obwohl er die vorgesehene Altersgrenze schon weit überschritt, und seine nach Buenos Aires/Argentinien geflüchtete Schwester Hiude Wuhrmann konnte auch die geforderte Kaution und die Gebühren überweisen, doch wenige Tage bevor das Verfahren abgeschlossen werden konnte, musste Wurman vor der deutschen Besetzung Belgiens im Mai 1940 erneut flüchten um zu überleben und konnte noch rechtzeitig nach Südfrankreich entkommen, von wo er Mitte Mai eindringlich um den Abschluss der Zulassung an die Universität und die Einreise nach Palästina flehte, die mittlerweile eine Frage des unmittelbaren Überlebens geworden war. Die Hebräische Universität urgierte auch entsprechend dringend, doch das britische Konsulat in Paris lehnte Wurman ab. Nach der Kapitulation Frankreichs schien der Fall völlig aussichtslos. Doch Wurman konnte mit seinem 60-jährigen Vater Anfang Juli mit dem britischen Evakuierungsschiff MS Apapa von Port-Vendres/Frankreich direkt an der französisch-spanischen Grenze nach Liverpool, England/Großbritannien entkommen, und urgierte aus London erneut seine Zulassung und im September 1940 war die britische Mandatsregierung bereit, sein Zertifikat neu auszustellen und er konnte nach Palästina und an der Hebräischen Universität studieren. Im Mai 1941 wurden er und sein Vater aber in Großbritannien als enemy aliens registriert und interniert, wurden aber bereits nach fünf Tagen am 29. Mai 1941 wieder entlassen als "special case: non enemy". Später lebten beide in London, Hillside Road 29, und machten im Oktober 1946 und November 1947, immer noch staatenlos, mehrmonatige Geschäftsreisen nach New York, NY/USA und Miami, FL/USA (als Beruf gibt er an: Lederfabrikant/"manufacturer leather"). Über seinen weiteren Lebensweg ist bislang nur wenig bekannt: vermutlich übersiedelt er später in die USA, wurde 1955 U.S. Staatsbürger und lebte anfangs in Philadelphia, PA/USA, später in Brooklyn, NY/USA und starb dort vermutlich 2005.


Lit.: Archiv der Universität Wien / Nationale PHIL 1934–1938; Social Security Administration Washington D.C., USA / Social Security Death Index; The National Archives of the UK, Kew, Surrey, England / Board of Trade / Commercial and Statistical Department / Inwards Passenger Lists / BT26 / 1189, The National Archives of the UK, Kew, London, England / HO 396 / 282 WW2 Internees (Aliens) Index Cards; National Archives and Records Administration (NARA) / New York / Listen ankommender Passagiere 1820-1957, NARA / Washington, D.C. / Indexes to Naturalization Petitions for United States District Courts, Connecticut, 1851-1992 (M2081); www.ancestry.de; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 502; Bilha SHILO, Student or Refugee? Isak Wurman's application to the Hebrew University of Jerusalem, 2019.


Herbert Posch


Nationale von Isak Wurman, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Isak Wurman, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Isak Wurman, Wintersemester 1937/38 (2. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien

Nationale von Isak Wurman, Wintersemester 1937/38 (2. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Archiv der Universität Wien
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