Gertrude West (Wengraf)
Geb. am: |
08. Februar 1915 |
Fakultät: |
Philosophische Fakultät |
Kategorie: |
Vertriebene Studierende |
Gertrude WEST (verh. WENGRAF), geb. am 8. Februar 1915 in Lundenburg, Mähren/Österreich-Ungarn [Břeclav/Tschechische Republik] (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Tochter von Josef West (1876–1941/42, Chemiker) und Ella West, geb. Rosenfeld (1886–1941/42), kam mit ihrer Familie als dreizehnjährige nach Wien und wohnte in Wien 1., Franz Josefs Kai 43, und hat am 5. Juli 1933 am
Mädchenrealgymnasium II (Wien 2., Novarragasse 30) die Reifeprüfung (Matura) abgelegt. Sie begann im Wintersemester 1933/34, an der Universität Wien Geschichte, Geographie und Leibeserziehungskunde zu studieren und engagierte sich in der Sozialdemokratischen Jugendbewegung. Im Austrofaschismus wurde sie dafür - "wegen illegaler politischer Betätigung" verurteilt und für zwei Semester von allen österreichischen Hochschulen relegiert. Sie konnte erst im Sommersemester 1936 ihr Studium wieder fortsetzen und war zuletzt im Wintersemester 1937/38 an der Philosophischen Fakultät im 7. Studiensemester inskribiert.
Sie hatte sich am 28. Jänner 1938 zu den Abschlussprüfungen (Rigorosen) angemeldet und bestand das einstündige Rigorosum am 10. März 1938, durfte aber nach dem "Anschluss" nicht mehr zur letzten Prüfung antreten und wurde im Nationalsozialismus aus "rassischen" und "politischen" Gründen gezwungen, das Studium abzubrechen und ohne akademischen Abschluss die Universität Wien zu verlassen.
Zwei Tage vor dem Rigorosum hatte sie am 8. März 1938 den Wiener Kunsthändler Paul Ignaz Wengraf (1894–1978) zivilrechtlich geheiratet (der bereits geschieden und verwitwet war und 1930 aus der IKG Wien ausgetreten war) und lebte mit ihm in Wien 4., Belvedergasse 10. Beide mussten aus Wien fliehen, konnte aber noch rechtzeitig nach England emigrieren. Sie ließen sich dauerhaft in London nieder, wo auch ihre Söhne Martin und Harry Wengraf, sowie ihre Tochter Monica Anne Wengraf-Hewitt geboren wurden.
Gertrude Wengrafs Eltern konnten nicht mehr rechtzeitig emigrieren und wurden am 28. Oktober 1941 von Wien nach Litzmannstadt [Łódź/Polen] deportiert und überlebten nicht.
Gertrude Wengraf und ihr Mann konnten in England wieder einen Kunsthandel aufbauen und lebten in 25 West Hill Road, London S.W.18. Sie eröffneten bereits im März 1939 in London die "
Arcade Gallery" in den Royal Arcade in der Old Bond Street und im Dezember stellten sie den emigrierten Künstler und NS-Kritiker John Heartfield aus ("One Man’s War against Hitler"), die einzige Solo-Ausstellung Heartfields in England zu dessen Lebzeiten.
In den Anfangsjahren stellten sie verstärkt verfolgte jüdische Künstler*innen aus (z. B. Friedl Dicker 1940) und hielten die Galerie als eine der wenigen durch alle Kriegsjahre offen.
Ende 1947 erhielten sie die britische Staatsbürgerschaft.
Später handelten sie in der Galerie auch mit Niederländischem Manierismus, frühem Barock bis Neoklassizismus, spezialisierte sich später auf Afrikanische Kunst, indische Miniaturen, Griechische und Römische Antiken und Europäische Kunst.
In den 1970er Jahren stiegen ihre Kinder Peter and Monika in die Galerie ein, die sie nach dem Tod ihres Mannes 1978 bis 1989 am selben Ort weiterführten bzw. bis 2004 als
Arcade Arts.
Gertrude Wengraf, geb. West, lebte Anfang der 2000er-Jahre weiterhin in London.
Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale 1933-1938, Rigorosenakt und -protokoll PHIL Nr. 14158; Lilian R. FURST, Random Destinations: Escaping the Holocaust and Starting Life Anew, New York 2005, 187–189; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 499; Cherith SUMMERS, Brave New Visions. The Émigrés whoTtransformed the British Art World (catalogue), London 2019, 10; www.genteam.at; www.ancestry.de.
Herbert Posch