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Gerhart Ladner

Geb. am: 03. Jänner 1905
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Vertriebene WissenschafterInnen
Gerhart LADNER, geb. am 3. Dezember 1905 in Wien, gest. am 21. September 1939 in Los Angeles/USA, war 1938 Pd. für Geschichte des Mittelalters an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien. Er wurde im Nationalsozialismus aus "rassischen" Gründen verfolgt und im April 1938 seines Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben. Ladner, Sohn eines Fabrikanten, besuchte das Bundesgymnasium im 19. Wiener Gemeindebezirk, maturierte 1924 und studierte anschließend Mittelalterliche Geschichte, Kunstgeschichte und Archäologie an der Universität Wien. 1930 promovierte er zum Dr. phil. Ladner war von 1927 bis 1929 ordentliches Mitglied des Instituts für Österreichische Geschichtsforschung und anschließend, bis 1931, Assistent bei den "Monumenta Germaniae Historica" in Berlin und München. 1932 erledigte er im Auftrag des Österreichischen Ausschusses für historische Ikonographie Arbeiten zu speziellen Themen der Münzkunde, wobei er von 1931 bis 1933 als Sekretär der Österreichischen Gesellschaft für die Geschichte der Ikonographie sowie der Internen Kommission für Geschichtswissenschaft angehörte. Von 1933 bis 1938 war er Stipendiat am Österreichischen Historischen Institut in Rom.[1] Hier arbeitete er mit Genehmigung des Papstes an einer zweibändigen mittelalterlichen Papstikonographie.[2] Wenige Wochen vor dem "Anschluss", im Jänner 1938 habilitierte er sich schließlich als Privatdozent für Geschichte des Mittelalters und historische Hilfswissenschaften an der Universität Wien, was ihm für den Einstieg in den Wissenschaftsbereich in Übersee zu Gute kommen sollte. Er war zwar 1933 vom mosaischen zum katholischen Glauben konvertiert,[3] galt entsprechend der "Nürnberger Rassengesetze" aber als "Jude". Aus diesem Grund widerrief das Unterrichtsministerium nach dem "Anschluss", per 22. April 1938, seine Lehrbefugnis.[4] Ladner emigrierte 1938 nach London und ging im Oktober desselben Jahres nach Kanada. Hier fungierte er als Lecturer für frühchristliche und mittelalterliche Kunstgeschichte und mittelalterliche Geschichte am Pontifical Institute of Medieval Studies in Toronto. 1940 avancierte er zum Assistant Professor of Medieval History and Archaeology an der University of Toronto, um von 1943 bis Kriegsende beim Intelligence Service der Canadian Army zu dienen. Nach Kriegsende kehrte er nicht mehr an die Universität Wien bzw. nach Österreich zurück, wiewohl ihn die Fakultät für die Wiederbesetzung der Lehrkanzel Hansl Sedlmayrs tertio loco reihte.[5] Eine Berufung an die Universität Innsbruck lehnte er "aus persönlichen, familiären Gründen" ab.[6] Auch die Einladung der philosophischen Fakultät vom Oktober 1946, als Gastprofessor an der Universität Wien zu lehren, kam letzten Endes nicht zustande.[7] Im gleichen Jahr war er in die USA ausgewandert, wo er an der University of Notre Dame, Indiana, vorerst als Assistant Professor, dann als Associate Professor lehrte. Ab 1951 war er Professor für Kunstgeschichte an der Howard University in Washington D.C., um bereits im Jahr darauf als Associate Professor an die Fordham University in New York zu wechseln. Hier stieg Ladner, der hier bis 1962 tätig war, zum Professor für Geschichte auf. Davon abgesehen nahm er ab 1953 auch einen Lehrauftrag an der Columbia University auf. Es folgte eine Tätigkeit an der University of California in Los Angeles, wo er von 1963 bis zu seiner Emeritierung 1974 lehrte. Schließlich fungierte er noch als Distinguished Visiting Professor an der University of California, Berkeley und als Visiting Professor am Center for Byzantine Studies in Dumbarton Oaks, Washington D. C. Zu seinen bekanntesten Werken zählen "Theologie vor dem Investiturstreit. Abendmahlstreit, Kirchenreform, Cluny und Heinrich III." (1936), "The idea of reform. Its impact on Christian thought and action in the age of the fathers" (1959) und "Die Papstbildnisse des Altertums und des Mittelalters" (1941, 1970, 1984).[8] Er war u. a. Mitglied der Medieval Academy of America, korrespondierendes Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Mitglied der American Catholic Historical Association, der American Renaissance Society und der Dante Society. Von 1949 bis 1951 und von 1960 bis 1961 gehörte er dem "Institute for Advanced Study" in Princeton an. Ladner war Inhaber der Haskins Medal der Medieval Academy of America (1961).[9]


Lit.: Österreichisches Staatsarchiv/AVA, PA Ladner; Archiv der Universität Wien/PH PA 2401, PHIL GZ 659 ex 1937/38; Ulrike Wendland, Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Bd. 2, München 1999; Werner Röder/Hannah Caplan (Hrsg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Bd. 2, München 1983; Hans H. Aurenhammer: Das Wiener Kunsthistorische Institut nach 1945, in: Margarete Grandner/Gernot Heiss/Oliver Rathkolb (Hrsg.), Zukunft mit Altlasten. Die Universität Wien 1945 bis 1955 (Querschnitte 19), Innsbruck – Wien – Bozen 2005, 174-188; Gernot Heiß, Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe. Die Wiener Schule der Geschichtswissenschaft und der Nationalsozialismusin, in: ders./Siegfried Mattl/Sebastian Meissl/Edith Saurer/Karl Stuhlpfarrer (Hrsg.), Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938 bis 1945, Wien 1989, 38-76.


[1] Ulrike Wendland, Biographisches Handbuch deutschsprachiger Kunsthistoriker im Exil. Bd. 2, München 1999.

[2] UA, PA, fol. 15, Curriculum vitae, o. D.

[3] Wendland, Handbuch.

[4] UA, PHIL GZ 659-1937/38, O.-Nr. 72, PHIL Dekanat an Ladner, 23. 4. 1938.

[5] Hans H. Aurenhammer: Das Wiener Kunsthistorische Institut nach 1945, in: Margarete Grandner/Gernot Heiss/Oliver Rathkolb (Hrsg.), Zukunft mit Altlasten. Die Universität Wien 1945 bis 1955 (Querschnitte 19), Innsbruck – Wien – Bozen 2005, 174-188, 175.

[6] Gernot Heiß, Von Österreichs deutscher Vergangenheit und Aufgabe. Die Wiener Schule der Geschichtswissenschaft und der Nationalsozialismusin, in: ders./Siegfried Mattl/Sebastian Meissl/Edith Saurer/Karl Stuhlpfarrer (Hrsg.), Willfährige Wissenschaft. Die Universität Wien 1938 bis 1945, Wien 1989, 38-76, 75 (Fußnote 200).

[7] UA, PA, fol. 59, PHIL Dekanat an Ladner, 19. 10. 1946. Vgl. auch Ladner an PHIL Dekanat, 7. 12. 1946. Eine Beurlaubung im Wintersemester 1947/48 kam demnach an Ladners neuer Wirkungsstätte, der Notre Dame University, nicht in Frage.

[8] Wendland, Handbuch.

[9] Werner Röder/Hannah Caplan (Hrsg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Bd. 2, München 1983.


Andreas Huber

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