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Edith Hahn (verh. Hahn-Beer)

Geb. am: 24. Jänner 1914
Fakultät: Juridische Fakultät
Kategorie: Vertriebene Studierende
Edith HAHN (verh. HAHN-BEER), geb. am 24. Jänner 1914 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), Tochter von Leopold Hahn (gest. 1936) und Klothilde Hahn, wohnte in Wien 4, Argentinierstraße 29/43 und war von Wintersemester 1933/34 bis zuletzt im Sommersemester 1937 an der Juridischen Fakultät im 8. Studiensemester inskribiert.
Am 11. Oktober 1937 legte sie die judizielle (richterliche) Staatsprüfung ab und plante, zu Ostern 1938 die abschließenden Prüfungen abzulegen, nach dem "Anschluss" wurde sie jedoch nicht mehr zur Prüfung zugelassen: "Im April 1938 ging ich zur Universität, um meine letzten Prüfungsaufgaben abzuholen und mir einen Termin für das dritte Staatsexamen geben zu lassen. Eine junge Sekretärin – eine Frau, die ich kannte – sagte zu mir: 'Sie werden diese Prüfung nicht ablegen, Fräulein Hahn. Sie sind an unserer Universität nicht mehr erwünscht.' Damit gab sie mir meine Papiere und die Abschriften meiner Zeugnisse. 'Leben Sie wohl.'
Fast fünf Jahre lang hatte ich Jura, Verfassungsrecht, Schadensersatzrecht, Psychologie, Volkswirtschaft, Politische Theorie, Geschichte und Philosophie studiert. Ich hatte Arbeiten geschrieben, Vorlesungen besucht, Rechtsfälle analysiert und dreimal die Woche mit einem Richter fürs Examen gepaukt. Und nun ließen sie es mich nicht machen."
(HAHN-BEER 2000, 59-60) Ihren Schwestern gelang die Ausreise, Edith Hahn wurde 1939 mit ihrer Mutter im Wiener Ghetto interniert, 1942 wurde ihre Mutter nach Polen deportiert. Mit den Ausweiskopien einer Freundin fuhr Edith Hahn nach München und ließ sich dort neue Papiere auf den Namen "Margarete Denner" ausstellen. Sie lebte unter diesem Decknamen und arbeitete als Näherin.
Sie lernte Werner Vetter, NSDAP-Mitglied, kennen, dem sie auch ihre wahre Identität verriet, zog mit ihm nach Brandenburg an der Havel und heiratete ihn. Ihre Tochter Angelika kam am 9. April 1944 in einem Reichskrankenhaus zur Welt. Ihr Ehemann wurde zur deutschen Wehrmacht eingezogen und zu Ende des Krieges in einem sibirischen Arbeitslager interniert. Nach Kriegsende nahm sie mithilfe ihrer versteckt gehaltenen Ausweispapiere auf rasch wieder ihre wahre Identität als "Edith Hahn" an. Dank ihrer juristischen Ausbildung erhielt sie unter der sowjetischen Militäradministration eine Stelle als Rechtspflegerin, später als Richterin am Kreisgericht Brandenburg an der Havel. Nach der Rückkehr ihres Ehemannes aus der Kriegsgefangenschaft ließ sie sich 1947 scheiden.
Als sie unter Druck gesetzt wurde, als Informantin des KGB zu wirken, emigrierte Edith Hahn mit ihrer Tochter zu ihren Schwestern nach London/England, wo sie als Hausmädchen und Designerin von Miedern arbeitete. 1957 heiratete sie Fred Beer. Nach seinem Tod 1984 zog sie nach Netanya/Israel. 1997 ließ sie eine Sammlung persönlicher Unterlagen und Briefe bei Sotheby‘s in London versteigern – das Edith-Hahn-Archiv befindet sich heute im United States Holocaust Memorial Museum, in Washington D.C. Sie veröffentlichte 1999 einen autobiografischen Roman, 2003 produzierte die A&E USA, (arts and entertainment USA) eine Dokumentation über ihre Biografie.
Edith Hahn Beer starb im März 2009 in London. Am 14. Januar 2010 wurde im Gebäude der Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg/Deutschland eine Gedenktafel für sie enthüllt.


Lit.: HAHN-BEER 2000; Film "The Nazi Officer’s Wife" 2003; Matthias Kamleitner, Verfolgung zwischen "Anschluss" und Holocaust, in: Florian Wenninger u. Jutta Fuchshuber, Hg., Ich bin also nun ein anderer. Die jüdische Bevölkerung der Wieden 1938-1945, Wien 2017, 28-69, 63 bzw.: http://www.juedischewieden.at/edith-hahn/.


Katharina Kniefacz und Herbert Posch


Nationale von Edith Hahn, Wintersemester 1936/37 (Vorderseite), Foto: Katharina Kniefacz (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Edith Hahn, Wintersemester 1936/37 (Rückseite), Foto: Katharina Kniefacz (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Edith Hahn, Wintersemester 1936/37, 2. Formular (Vorderseite), Foto: Katharina Kniefacz (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Edith Hahn, Wintersemester 1936/37, 2. Formular (Rückseite), Foto: Katharina Kniefacz (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Edith Hahn, Sommersemester 1937, 1. Formular (Vorderseite), Foto: Katharina Kniefacz (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Edith Hahn, Sommersemester 1937, 1. Formular (Rückseite), Foto: Katharina Kniefacz (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Edith Hahn, Sommersemester 1937, 2. Formular (Vorderseite), Foto: Katharina Kniefacz (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Edith Hahn, Sommersemester 1937, 2. Formular (Rückseite), Foto: Katharina Kniefacz (c) Universitätsarchiv Wien

Studienausweis von Edith Hahn (1933), American Holocaust Museum, Washington, USA
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