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Otto Maria Karpfen (später Carpeaux)

Geb. am: 09. März 1900
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Doktorgradaberkennung
Otto Maria KARPFEN [Otto Maria CARPEAUX], geb. am 9. März 1900 in Wien, gest. am 3. Februar 1978 in Rio de Janeiro, Brasilien, hatte am 9. Juni 1925 an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien den Grad eines Dr. phil. in Chemie erworben (Dissertation: 'Über die Hypohirnsäure, ein neues Triaminomonophosphorsulfadit aus Menschenhirn').
Später studierte er Soziologie und Philosophie in Paris/Frankreich, Vergleichende Literaturwissenschaften in Neapel/Italien und Politikwissenschaft in Berlin/Deutschland.
Er arbeitete als Journalist und Literaturkritiker in Wien, konvertierte vom Judentum zum Katholizismus und propagierte in der Zwischenkriegszeit publizistisch den politischen Katholizismus (Mitarbeit in der Zeitschrift Christlicher Ständestaat, Buch "Österreichs europäische Sendung. Ein außenpolitischer Überblick." 1935), teilweise unter den Pseudonymen Otto Maria Fidelis und (Dr.) Leopold Wiesinger. Karpfen emigrierte 1938 nach Belgien, 1939 weiter nach Sao Paulo und Rio de Janeiro/Brasilien, wo er seinen Namen in Carpeaux änderte. Am 28. Februar 1942 wurde ihm der Grad aus rassistischen Gründen aberkannt, da er im Nationalsozialismus 'als Jude als eines akademischen Grades einer deutschen Hochschule unwürdig' galt.
Otto Maria Carpeaux musste in Brasilien zunächst als einfacher Landarbeiter arbeiten, eignete sich jedoch rasch Portugiesisch durch Selbstunterricht an. Er wurde aufgrund seiner Besprechungen in verschiedenen Tageszeitungen sehr schnell als Literaturkritiker bekannt und in der Folge zu einem der bedeutendsten Literaturwissenschaftler des Landes. Sein erstes brasilianisches Buch "A Cinza do Purgatório" konnte er bereits 1942 seinen ersten brasilianischen Freunden widmen, darunter die Lyriker Manuel Bandeira, Jorge de Lima, Murilo Mendes und Carlos Drummond de Andrade, die Schriftsteller Graciliano Ramos und José Lins do Rego, die Literaturwissenschaftler Álvaro Lins und Brito Broca, den Soziologen Gilberto Freyre und den Historiker Octávio Tarquínio de Sousa, sowie Aurélio Buarque de Holanda, der führende Lexikograf des Landes, mit dem ihn schon bald eine enge Freundschaft verband. Carpeaux machte das brasilianische Publikum mit Werken von Franz Kafka, Robert Musil und anderen deutschsprachigen Literaten bekannt. Er verfasste über 1500 Essays und - neben kleineren Werken - sechs Sammlungen von kritischen Aufsätzen, einen Band Musikgeschichte, eine deutsche Literaturgeschichte sowie die "Literaturgeschichte des Abendlandes" in acht Bänden, deren dritte Auflage 2008 vom Bundessenat veröffentlicht wurde. Erst nachdem er am 26. Juni 1953 bei einem Wienbesuch im Rektorat der Universität Wien um eine Kopie seines im NS aberkannten Doktordiploms ersucht, wird ihm der Doktorgrad noch am selben Tag formlos wiederverliehen und eine Diplom-Kopie ausgestellt. Am 15. Mai 1955, wurde ihm der Doktorgrad  nochmals wieder zuerkannt, bzw. die Aberkennung für 'von Anfang an nichtig' erklärt. Nach der Hinwendung zur brasilianischen Linken und seine Auseinandersetzung gegen die Militärdiktatur, die 1964 an die Macht kam, beendete er 1968 seine literarische Tätigkeit. Er starb am 3. Februar 1978 an einem Herzinfarkt in Rio de Janeiro.

Lit.: freundlicher Hinweis von Bruno Mori, 2013; wikipedia; Deutsch-Brasilianische Beziehungen; Lateinamerikainstitut der FU BerlinBOLBECHER/KAISER 2000.

Herbert Posch


Otto Karpfen (Carpeaux), Inskriptionsschein ("Nationale") Philosophische Fakultät Wintersemester 1919/20, (c) Archiv der Universität Wien, Foto: Herbert Posch

Otto Karpfen (Carpeaux), Promotionsprotokoll vom 9. Juni 1925 mit Vermerk Aberkennung (1942) und Wiederverleihung (1955) Doktorgrad, (c) Archiv der Universität Wien, Foto: Herbert Posch

Otto Karpfen (Carpeaux), Einleitung Doktorgradaberkennung, 18.12.1940, (c) Archiv der Universität Wien, Foto: Herbert Posch

Otto Karpfen (Carpeaux), Beschluss Doktorgradaberkennung, 20.1.1942, (c) Archiv der Universität Wien, Foto: Herbert Posch

Otto Karpfen (Carpeaux), Wiederverleihung Doktorgrad, 26.6.1953, (c) Archiv der Universität Wien, Foto: Herbert Posch
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