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Erwin Stransky

Geb. am: 03. Juli 1877
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene WissenschafterInnen

Erwin STRANSKY, geb. am 3. Juli 1877 in Wien, gest. am 26. Jänner 1962 in Wien, war Dozent für Psychiatrie und Neurologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien.

Nach seiner Matura 1894 am Communal-, Real- und Obergymnasium in Wien II (heute: Sigmund Freud-Gymnasium) hatte Stransky ab Herbst 1894 an der Universität Wien sein Medizinstudium absolviert (u.a. noch beim Pionier Prof. Heinrich Obersteiner), promovierte 1900 zum "Dr.med.univ.". 1901 wurde er Aspirant im Wiener Allgemeinen Krankenhaus und arbeitete an der I. Psychiatrischen Universitätsklinik unter Julius Wagner-Jauregg, wo er sich 1908 mit einer Arbeit über "Dementia praecox" für Psychiatrie und Neuropathologie an der Universität Wien habilitierte. Im ersten Weltkrieg erhielt er 1915 den Titel (aber nicht die Position) eines außerordentlichen Professors ("Privatdozent, tit. a.o. Univ.-Prof.").
Schon seit 1906 war Stransky auch psychiatrischer Sachverständiger beim Handelsgericht in Wien, ab 1911 auch der Neurologe des Verbands der Wiener Genossenschaftskrankenkassen und ab 1915 psychiatrischer Gutachter der Wiener Militärgerichte im Rang eines Majorsarztes. Er forderte, wie damals in der universitären und außeruniversitären Psychiatrie weit verbreitet, die Unterwerfung der PatientInnen unter den Willen des Arztes und publizierte wissenschaftliche Artikel darüber, psychisch Kranke – als "psychopathisch Minderwertige" – im Ersten Weltkrieg an die Front zu schicken, da "deren Reproduktion minder wünschenswert" sei und vertrat auch sonst eher radikale deutsch-nationalistische Ansichten. Ideologische Berührungspunkte waren auch in seinen Schriften "Großdeutschland und die Ärzteschaft" und "Der Deutschenhaß. Eine Studie" (1919) gegeben, die u. a. von seiner antislawischen und großdeutschen Haltung mittels rassistisch-biologistischer Fundierung zeugen. Er engagierte sich in verschiedenen deutsch-nationalen Parteien und unterstütze während des Austrofaschismus illegale Nationalsozialisten.

Dennoch, und obwohl seit 1902 zum evangelischen Glauben übergetreten, wurde er im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt und am 22. April 1938 seines Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben. Er konnte aber - nicht zuletzt Dank seiner nach NS-Kriterien "arischen" Ehefrau, der Opernsängerin Josefine Stransky - in Wien bleiben.

Nach Kriegsende wurde Stransky 1945, 68jährig mit dem Wiederaufbau und der Leitung der Nervenklinik am Rosenhügel betraut, 1946 wurde ihm von der Wiener Universität die venia legendi wieder verliehen sowie der Titel "tit.o.Univ.-Prof." verliehen. 1947 emeritierte er, lehrte aber als "Honorarprofessor" noch bis 1951 an der Universität Wien.
Er publizierte über 200 wissenschaftliche Arbeiten, war ein Pionier der Schizophrenieforschung und großer Gegner der Psychoanalyse, war sowohl in der Zwischenkriegszeit wie auch nach 1945 ein Vorreiter der Psychohygiene (er gründete gem. m. Otto Kauders die Österreichische Gesellschaft für Psychohygiene) und arbeitete auf den Gebieten manisch-depressive Erkrankungen, Anatomie der entzündeten Nerven, angewandte Psychopathologie, Psychohygiene und Multiple Sklerose.

Sein zweiteiliges "Lehrbuch der allgemeinen und speziellen Psychiatrie" (1914, 1919) war lange Zeit ein Standardwerk und beeinflusste Generationen von StudentInnen und ÄrztInnen.
Er war Mitglied zahlreicher wissenschaftlicher Gesellschaften (u.a. seit 1933 Ehrenmitglied der American Psychiatric Association) und Träger zahlreicher Auszeichnungen (u.a. Ehrenzeichen für Kunst und Wissenschaft der Republik Österreich).

Er starb am 26. Jänner 1962 in Wien und wurde in einem Ehrengrab am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.

Nach Stransky wurde 1974 in Wien 14 der "Stransky-Weg" benannt. Diese, heute als problematisch eingestufte Straßenbenennung steht seit 2013 zur Diskussion.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Personalstand 1937/38, Rektorat GZ 677 ex 1937/38, Senat S 304.1253; MERINSKY 1980, 261-265; MÜHLBERGER 1993, 34; Daniela Angetter, Erwin Stransky, Biografie des Monats, ÖAW 2012; Peter Autengruber, Birgit Nemec, Oliver Rathkolb u. Florian Wenninger, Umstrittene Wiener Straßennamen. Ein kritisches Lesebuch. Wien 2014, 56–58; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2022; UB MedUni Wien/van Swieten Blog; wienwiki; wikipedia.


Herbert Posch


Erwin Stransky, erzwungene Rücklegung venia legendi 1938, © Archiv der Universität Wien
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