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Richard Stern

Geb. am: 29. März 1878
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene WissenschafterInnen

Richard STERN, geb. am 29. März 1878 in Wien, war 1938 Privatdozent für Neuropathologie an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien und wurde im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt, seine venia legendi wurde ihm am 29. Juli 1938 "ruhend gestellt" und er wurde von der Universität Wien vertrieben.

Er war der Sohn des Kaufmanns Leopold Stern und der Ernestine Stern, geb. Stein und absolvierte in Wien das Akademische Gymnasium, wo er 1896 die Reifeprüfung (Matura) ablegte. Anschließend begann er an der Universität Wien Medizin zu studieren und promovierte am 21. November 1902 zum "Dr. med.univ." Er hatte bereits gegen Ende seines Studiums als Aspirant an der I. Medizinischen Universitätsklinik gearbeitet und wurde 1904 Assistent am dortigen Nervenambulatorium unter Lothar v. Frankl-Hochwarth (1862-1914). Im März 1909 wurde Richard Stern Vorstand der Nervenabteilung des ersten Österreichischen Kinder-Krankeninstituts in Wien. 1913 habilitierte er sich an der Universität Wien mit einer Arbeit "Differentialdiagnose und Verlauf des Morbus Basedowii und seiner unvollkommenen Formen" (in: Jahrbücher für Psychiatrie und Neurologie 29 (1909), 179–273) für Neuropathologie und begann anschließend an der Universität Wien über Nervenkrankheiten zu lehren (mit Ausnahme der Jahre des Ersten Weltkrieges bis zu seiner Vertreibung 1938).
Er leistete 1915–18 Kriegsdienst in einer Konstatierungs- bzw. Diagnosestation von Siegmund Erben (1863–1942) und wurde nach seiner Rückkehr ab Dezember 1918 Leiter des Nervenambulatoriums der I. Medizinischen Universitätsklinik.
Darüber hinaus war er ab 1919 auch Chefarzt der Pensionsanstalt für Angestellte (ab 1927: Hauptanstalt für Angestelltenversicherung, ab 1934/35: Angestelltenversicherungsanstalt).

Richard Stern war Mitglied der Gesellschaft für Psychiatrie und Neurologie sowie der Gesellschaft der Ärzte in Wien und publizierte mehrere Beiträge, u.a. über Epilepsie und Lähmungserscheinungen, Syphilis und Tabes sowie klinisch-chemische Untersuchungsmethoden, darunter u.a. "Familiäre Enuresis nocturna", in: Wiener klinische Rundschau 19 (1905), 381–383, "Vibrationsgefühl und Muskelsinn", in: Wiener klinische Rundschau 20 (1906), 820–822, "Beitrag zur Kenntnis der Form und Grösse des Rückenmarksquerschnittes", in: Arbeiten des Neurologischen Instituts der Universität Wien 14 (1907), 329–372, "Zur Schlafbereitung", in: Wiener klinische Rundschau 22 (1908), 65, "Die präaktive Spannung", in: ebd., 410, "Eine statische Theorie der Epilepsie", in: Wiener klinische Rundschau 23 (1909), 49, 65, 81, 97, "Zur Prognose der Epilepsie", in: Jahrbücher für Psychiatrie und Neurologie 30 (1909), 1–40, "Über einen Lähmungstypus bei der infantilen Hemiplegie", in: Wiener Klinische Rundschau 23 (1909), 789–791, "Ein passagères Phänomen der Säuglingshemiplegie", in: Neurologisches Centralblatt 29 (1910), 242–244, "Klinische Studien über die Zukunft nervenkranker Kinder mit spinalen und zerebralen Lähmungen", in: Jahrbücher für Psychiatrie und Neurologie 32 (1911), 139–308 und "Zur Entstehung der Angst", in: Wiener Klinische Wochenschrift 33 (1920), 875–878 (manchmal werden ihm in der Forschungsliteratur versehentlich auch Publikationen des Breslauer Internisten Dr. Richard Stern (1865–1911) zugeordnet).

1938 wurde er im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt, seine venia legendi wurde am 29. Juli 1938 "ruhend gestellt" und er wurde von der Universität Wien und von der Angestelltenversicherungsanstalt vertrieben.

Er musste aus Wien flüchten, konnte aber nicht mehr rechtzeitige emigrieren und wurde am 23. Juli 1942 von Grösslingova Strasse 51 in Bratislava [Slovakei] nach Žilina [Slovakei] deportiert von dort am 18. September 1942 weiter in das Konzentrationslager Auschwitz [Oświęcim/Polen], wo er am 13. Oktober 1942 im Alter von 65 Jahren ermordet wurde.


Lit.: Archiv der Universität Wien, Nationale MED 1896–1902, Promotionsprotokoll MED 1898–1904, RA GZ 680/II ex 1937/38 oh.ONr., MED GZ 1200 ex 1937/38, Senat S.304.1237 (Personalbogen); MERINSKY 1980, 259–260; MÜHLBERGER 1993, 34; Alma KREUTER, Deutschsprachige Neurologen und Psychiater, München 1996, 1412; Death Books from Auschwitz, Remnants, Reports (ed. by State Museum of Auschwitz Birkenau), München/New Providence/London/Paris 1995; UB MedUni Wien/van Swieten Blog; Michael HUBENSTORF, Tote und/oder lebendige Wissenschaft. Die intellektuellen Netzwerke der NS-Patientenmordaktion in Österreich, in: Gabriel Eberhard & Wolfgang Neugebauer, Hg., Von der Zwangssterilisierung zur Ermordung. Zur Geschichte der NS-Euthanasie in Wien Teil II, Wien, Köln, Weimar 2002, 237–420; Daniela ANGETTER, Richard Stern, in: ÖBL Bd. 13, 2008, 229f.;  Lazaros C. TRIARHOU, Richard Stern (1878–1942), in: Journal of Neurology 268 (2021), 4398–4399 [https://doi.org/10.1007/s00415-021-10482-0]


Herbert Posch


Richard Stern wird die Lehrbefugnis entzogen am 29. Juli 1938 (Vorderseite), © Archiv der Universität Wien

Richard Stern wird die Lehrbefugnis entzogen am 29. Juli 1938 (Rückseite), © Archiv der Universität Wien
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