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Richard von Wiesner

Geb. am: 30. Mai 1875
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene WissenschafterInnen
Richard von WIESNER, geb. am 30. Mai 1875 in Wien, gest. am 14. Oktober 1954 in Wien, war 1938 ao. Professor für Pathologische Anatomie an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien. Er wurde im Nationalsozialismus aus "rassischen" Gründen verfolgt und am 22. April 1938 seines Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben.

Richard von Wiesner, Sohn des Botanikers o. Prof. Julius Wiesner (1838-1916, Rektor der Universität Wien 1898/99) besuchte das k. k. Maximilian-Gymnasium in Wien-Alsergrund und das Stiftsgymnasium in Kremsmünster/Oberösterreich, wo er 1896 maturierte, [1] und studierte anschließend Medizin an der Universität Wien. Er promovierte 1902 und trat im Jahr darauf seinen Dienst als Assistent am pathologisch-anatomischen Institut an. [2] Währenddessen habilitierte er sich 1911 zum Privatdozenten an der Universität Wien und avancierte hier 1917 zum unbesoldeten ao. Prof. [3] Drei Jahre später wurde er Prosektor des Wilhelminenspitals. [4] Im Dezember 1936 und mit Wirksamkeit vom 1. Jänner 1937 ernannte ihn der Bundespräsident zum Prosektor des Wilhelminenspitals in der III. Dienstklasse, womit seine "Enthebung" als außerordentlicher Professor an der Universität Wien einherging, wo Wiesner von nun an als Privatdozent für pathologische Anatomie tätig sein sollte. [5] Auf Antrag des Professorenkollegiums ernannte ihn der Bundespräsident aber zum unbesoldeten ao. Prof. für pathologische Anatomie und verlieh ihm zugleich den Titel eines o. Prof. [6] Das Ministerium erteilte ihm einen Lehrauftrag für die Studienjahre 1937/38 bis 1939/40 über zwei Semesterstunden. [7] Der "Anschluss" Österreichs an das Deutsche Reich setzte Wiesners Wirken am Wilhelminenspital sowie an der Universität Wien ein vorübergehendes Ende. Wiesner galt gemäß der "Nürnberger Rassengesetze" als "Mischling 1. Grades". Der NSDAP-Gauleitung Wien zufolge war er "als Jude geboren" und im 15. Lebensjahr getauft worden. [8] Der Beurlaubung durch das Unterrichtsministerium im April 1938 [9] folgte die Pensionierung als Prosektor des Wilhelminenspitals per Ende Dezember 1938. Als gesetzliche Grundlage diente § 3, Abs. 1 der Berufsbeamtenverordnung, der stellvertretend für "rassische" Gründe stand. [10] Gemäß § 8, Abs. 1 [stellvertretend für "[e]hrenamtlich bestellte oder nicht hauptberuflich tätige Träger eines öffentlichen Amtes"] und § 3, Abs. 1 [s. oben] wurde er Ende März 1940 auch noch in seiner Funktion als unbesoldeter ao. Prof. "fristlos und ohne Entschädigung verabschiedet". [11] Ab Dezember 1939 konnte er offenbar im Rahmen einer Privatpraxis wieder als Arzt arbeiten. [12] Wo sich Wiesner am Ende des Zweiten Weltkrieges aufhielt, ist den Akten nicht zu entnehmen. Jedenfalls berichtete das Dekanat, er habe erst im November 1945 wieder nach Wien zurückkehren können. [13] Im Juli 1946 ernannte ihn das Ministerium auf Antrag des Professorenkollegiums zum Honorarprofessor, [14] in welcher Funktion er noch bis 1948 an der Universität Wien lehrte. Im gleichen Zeitraum wirkte er auch am Wilhelminenspital wieder auf seinem alten Posten. [15] Er verstarb am 14. Oktober 1954 an einem schweren Herzleiden. Wiesner publizierte maßgebliche Arbeiten zur Poliomyelitis (Kinderlähmung) sowie zur pathologischen Anatomie der Tuberkulose, des Paratyphus und anderer infektiöser, v. a. kokkenbedingter Darmerkrankungen. [16] Eines seiner bekanntesten Werke ist "Allgemeine Krankheitslehre" (1950). [17]


Lit.: Bundesarchiv Berlin (BArch)/Reichsärzteregister; Österreichisches Staatsarchiv (ÖStA)/Archiv der Republik (AdR), BKA, BBV; ÖStA/AdR, Personalakt (PA) Wiesner, ÖStA/Allgemeines Verwaltungsarchiv (AVA), PA Wiesner; Archiv der Universität Wien (UA), MED PA 528, Rektorat GZ 677 ex 1937/38; TEICHL 1951; Wer ist wer 1951 Neuausgabe 1953; Hermann CHIARI, Nachruf, in: Die Feierliche Inauguration des Rektors der Wiener Universität für das Studienjahr 1955/56, Wien 1956; MERINSKY 1980, 284-285; MÜHLBERGER 1993, 36; UB MedUni Wien/van Swieten Blog; BLUMESBERGER 2002, 1479; TRAGL 2007, 473.


[1] ÖStA/AVA, PA, k. k. Min. f. Kultus u. Unterricht GZ 33551-1911, Curriculum vitae, 10. 10. 1910.

[2] Wer ist wer in Österreich, new edition, Wien 1953.

[3] Vgl. ÖStA/AVA, PA, Min. f. i. u. k. A. GZ 26769-2/c-1938, Kurzbiographie, o. D.

[4] Wer ist wer.

[5] UA, PA, fol. 160, Unterrichtsministerium/Loebenstein an MED Dekanat, 6. 4. 1937.

[6] Ebd., fol. 171, Unterrichtsministerium an MED Dekanat, 1. 12. 1937.

[7] Ebd., fol. 165, Unterrichtsministerium/Loebenstein an MED Dekanat, 6. 10. 1937.

[8] Ebd., fol. 183, NSDAP-Gauleitung Wien an MED Dekanat, 14. 07. 1938.

[9] UA, RA GZ 677-1937/38, O.-Nr. 62, Österreichisches Unterrichtsministerium an Rektorat, 22. 04. 1938

[10] ÖStA/AdR, BKA, BBV, Der Staatskommissar beim Reichsstatthalter/Otto Wächter an Wiesner, 15. 12. 1938.

[11] UA, PA, fol. 203, Reichskommissar für die Wiedervereinigung Österreichs mit dem Deutschen Reich an Wiesner, 30. 03. 1940.

[12] Vgl. BArch, Reichsärzteregister.

[13] UA, PA, fol. 190, MED Dekanat an Staatsamt für Volksaufklärung, 27. 11. 1945 (Konzept).

[14] Ebd., fol. 194, BMU an Wiesner, 31. 7. 1946.

[15] Wer ist wer in Österreich. Neuausgabe. Wien 1953.

[16] Hermann Chiari, Nachruf, in: Die Feierliche Inauguration des Rektors der Wiener Universität für das Studienjahr 1955/56, Wien 1956.

[17] Teichl, Österreicher.

Andreas Huber

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