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Berthold Hatschek

Geb. am: 03. April 1854
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Vertriebene WissenschafterInnen

Berthold HATSCHEK, geb. am 3. April 1854 in Kirwein, Mähren, Österreich-Ungarn [Skrbeň, Tschechische Republik], gest. am 18. Jänner 1941 in Wien, war 1938 em. o. Prof. für Zoologie an der Philosophischen Fakultät der Universität Wien.

Er wurde im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt und 1938 seines Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben.

Berthold Hatschek, Sohn von Jacob Hatschek (1822-1910, Bierbrauereibesitz) und Rosa, geb. Back (1827-1911), besuchte das Gymnasium in Linz und inskribierte 1872[1] an der Universität Wien, um hier ebenso wie in Leipzig Medizin und Naturwissenschaften zu studieren.[2] 1877 promovierte er mit der Arbeit "Beiträge zur Entwicklungsgeschichte der Lepidopteren",[3] arbeitete anschließend als Privatgelehrter[4] und habilitierte sich im Juli 1879 als Privatdozent für Zoologie an der Universität Wien.[5]

Bereits 1885 erlangte er als Nachfolger Friedrich Steins[6] das Ordinariat für Zoologie an der Deutschen Universität Prag, nachdem er mit bedeutenden embryologischen Untersuchungen hervorgetreten war. In morphologischen Arbeiten konnte er wesentliche Gesetze der Gestaltung bei niederen und höheren Würmern, Moostierchen wie auch Wirbeltieren entwickeln. Im Jahr darauf, 1896, wurde er als Nachfolger des zurückgetretenen Carl Claus Leiter des II. Zoologischen vergleichend-anatomischen Instituts.

Seit 1898 war er verheiratet mit der Kunstmalerin Marie Olga Rosenthal (1869-1942) und sie bekamen bald zwei Töchter - Augusta (verh. Dessauer, 1899-1996) und Anna Maria (verh. Geschwind, 1901-1967).

An die bis dahin durchaus bedeutungsvolle wissenschaftliche Tätigkeit konnte Hatschek in Wien leider nicht anschließen, zumal er an Depressionen litt, die sich zusehends verschlimmerten. Er veröffentlichte immer seltener Forschungsergebnisse, geplante Werke wie etwa ein "Lehrbuch der Zoologie" konnte er krankheitsbedingt nicht mehr realisieren. Zum Aufbau einer neuen Morphologie der Wirbeltiere, wozu er bereits Wesentliches geleistet hatte, erschienen ebenfalls nur vereinzelt Mitteilungen. Nach dem Ersten Weltkrieg zog er sich vollends zurück, wonach auch keine Arbeiten mehr von ihm erschienen.[7] Im Lehramt blieb er allerdings noch bis zum Studienjahr 1924/25.[8]

Aufgrund seiner jüdischen Herkunft enthoben ihn die Nationalsozialisten im April 1938 seines Amtes. Er wurde enteignet und aus seiner Wohnung vertrieben, worauf er kurze Zeit später am 18. Jänner 1941 im Alter von 87 Jahren verstarb.[9]. Seine Töchter konnten zuvor noch in die USA bzw. nach England emigrieren, seine Frau kurz darauf noch nach Belgrad/Yugoslawien, wo sie aber 1942 in der Umgebung des Konzentrationslagers Banjica ermordet wurde.[9a]

Trotz seiner krankheitsbedingt eher kurzen Schaffensperiode schuf Hatschek im Bereich der Zoologie Grundlegendes und prägte – trotz seiner Beschränkung auf wenige Objekte – v. a. das Bild der vergleichenden Morphologie. Er wählte einzelne Tierformen und erklärte damit den Bauplan ganzer Tiergruppen, so etwa das Lanzettfischchen (Amphioxus) beispielgebend für die Gruppe der Wirbeltiere.[10] Die Geißelgrube am Dach der Präoralhöhle des Lanzettfischchens ist nach ihm benannt ("Hatschek-Grube").[11] Weiters erwies seine Trochophora-Theorie phylogenetische Zusammenhänge weit auseinander liegender Tierkreise, wie er auch den Stamm der Zygoneura, die Gattung der Schwammmücken, schuf.[12]

Zu seinen bedeutendsten Werken zählen das "Lehrbuch der Zoologie" (1888) und "Das neue zoologische System" (o. J.).[13]

Er war ab 1896 korrespondierendes und ab 1932 wirkliches Mitglied der Akademie der Wissenschaften, trug den Titel eines Hofrates[14] und gehörte zudem der Leopoldina in Halle an.[15] Außerdem war er seinerzeit Mitglied der k. k. wissenschaftlichen Prüfungs-Kommission für das Lehramt an Gymnasien und Realschulen und ordentliches Mitglied der Gesellschaft zur Förderung deutscher Wissenschaft, Kunst und Literatur in Böhmen.[16]

Am 13. Dezember 2011 wurde im 1982 eröffneten Biozentrum/Universitätszentrum Althanstraße (UZA I) der Praktikumsraum 8 (RaumNr. UZA I, EB 01, 1.053) nach ihm in "Übungssaal Berthold-Hatschek" benannt, mit dem Eröffnungsvortrag von Manfred Walzl: "Berthold Hatschek, early embryologist and eponym of the former 'Übungsraum 8'".[17]

Hatscheks Nachlass am ehemaligen Zoologischen Institut der Universität Wien wird von Monika Schreiber von der NS-Provenienzforschung der Universitätsbiliothek Wien aufgearbeitet und ein allfälliger Restitutionsbedarf untersucht.[18]


Lit.: Österreichisches Staatsarchiv/AVA, PA Hatschek; Archiv der Universität Wien/PH PA 1894; MÜHLBERGER 1993, 40; CZEIKE 1994, Bd. 3; FREUDIG/COLLATZ 1996KILLY/VIERHAUS Bd. 4 1996; Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Hg., Österreichische Naturforscher und Techniker, Wien 1951; ÖBL Bd. 2 1959; Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Österreichischen Akademie der Wissenschaften; Manfred G. Walzl u. Monika Schreiber, Neues aus der Vergangenheit: Die persönlichen Dokumente des Professor Berthold Hatschek (1854-1941) und seiner Familie am ehemaligen Zoologioschen Institut der Universität Wien, in: Schriften zur Verbreitung naturwissenschaftlicher Kenntnisse 154 (2018), 17-42.


[1] ÖStA/AVA, PA, k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht, 10979/1879, CV, o. D.

[5] UA, PA, Ministerium für Kultus an Unterricht an PHIL Dekanat, 25. 7. 1879.

[6] ÖStA/AVA, PA, k. k. Ministerium für Cultus und Unterricht, Kommission zur Wiederbesetzung der zoologischen Lehrkanzel an das Professorenkollegium der philosophischen Fakultät der Universität Wien, 8. 7. 1896.

[7] Österreichische Akademie der Wissenschaften (ÖAW), Hg., Österreichische Naturforscher und Techniker, Wien 1951.

[8] UA, PA, BMU an PHIL Dekanat, 8. 3. 1924.

[9] ÖAW 1951.

[14] Ebd.

[16] ÖStA/AVA, PA, k. k. Statthalterei-Präsidium in Böhmen an das Ministerium für Cultus und Unterricht, o. D.

Andreas Huber


Berthold Hatschek, Nationale Philosophische Fakultät, Wintersemester 1873/74, (Foto: Andreas Huber), © Archiv der Universität Wien

Nachruf auf Berthold Hatschek im Juedischen Nachrichtenblatt vom 1. Februar 1941, Privatarchiv Familie Hatschek, aus: http://www.zobodat.at/biografien/Hatschek_Berthold_SVVNWK_154_0017-0042.pdf mit freundlicher Genehmigung der Autor*innen Monika Schreiber und Manfred G.Walzl

Berthold Hatschek, Kennkarte für "Juden", 24. Februar 1940, Privatarchiv der Familie Hatschek, aus: http://www.zobodat.at/biografien/Hatschek_Berthold_SVVNWK_154_0017-0042.pdf mit freundlicher Genehmigung der Autor*innen Monika Schreiber und Manfred G. Walzl
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