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Julius Bauer

Geb. am: 14. August 1887
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene WissenschafterInnen
Julius BAUER, geb. am 14. August 1887 in Nachod, Böhmen/Österreich-Ungarn [Náchod, Tschechische Republik], gest. 8. Mai 1979, Beverly Hills/USA, war 1938 Privatdozent mit dem Titel eines "a.o.Professors" für Innere Medizin an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien sowie Primararzt und Leiter der 3. Medizinischen Abteilung der Wiener Poliklinik. Er wurde im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt, seine venia legendi und die Privatdozentur aufgekündigt und er wurde am 22. April 1938 seines Amtes enthoben und von der Universität Wien vertrieben. Julius Bauer war 1905 nach Wien gekommen und hatte dort und in Paris Medizin studiert. Am 25. November 1910 erlangte er an der Medizinischen Fakultät der Universität Wien den Grad eines "Dr.med.univ.". Nach seiner Promotion richtete er sein Interesse unter Adolf Strümpell und Franz Chvostek auf die Neurologie und die sich gerade entwickelnde Endokrinologie. Er arbeitete mit Prof. Edmund Neusser und dessen Assistenten Rudolf Schmidt und ging mit letzterem, als er an die Universitätsklinik Innsbruck berufen wurde 1910-1914 als Assistent nach Innsbruck. Er setzte seine Facharztausbildung als Internist ab 1914 an der Wiener Poliklinik unter Prof. Julius Mannaberg fort und publizierte 1917 die aufsehenerregende Arbeit "Konstitutionelle Disposition zu inneren Krankheiten", worin er Genetik und Endokrinologie mit der klinischen Medizin verknüpfte und die 1919 zu seiner Habilitation zum Privatdozenten für Innere Medizin an der Universität Wien führte. Er war familiär und inhaltlich mit wichtigen kulturellen und politischen Feldern vernetzt – z.B. als Cousin des prominenten sozialdemokratischen Politikers Otto Bauer und dessen Schwester Ida Bauer, die durch Sigmund Freuds psychoanalytische Fallgeschichte "Bruchstück einer Hysterie-Analyse" als "Dora" (1906) bekannt wurde (Julius Bauer's Vater Ludwig war der Bruder von Philipp Bauer, dem Vater von Otto und Ida). Er war seit 1912 verheiratet mit Dr.phil. Marianne Melitta Jokl (1885-1980), Romanistin und angehende Medizinerin (promovierte 1915 auch noch zur "Dr.med.univ.") und beide gemeinsam führten auch eine gemeinsame Praxis in Wien 9., Mariannengasse 15. 1926 erhielt Julius Bauer den Titel – aber nicht die Funktion – eines ausserordentlichen Professors ("Pd. tit.a.o.Prof.") und im Folgejahr erschien seine Monografie "Innere Sekretion, ihre Physiologie, Pathologie und Klinik" (1927) und im Jahr darauf wurde er als Primararzt an die Wiener Poliklinik berufen (1928), und 1931 zum Leiter der dortigen 3. Medizinischen Abteilung ernannt, die er bald zu einem bekannten Ausbildungszentrum in Endokrinologie und Konstitutionsphysiologie ausbaute.
Ab 1923 war Julius Bauer auch mehrfach auf Vortragsreisen in den USA unterwegs wodurch hilfreiche Kontakte entstanden, die sich bei der Emigration später als wertvoll erweisen sollten. Mehrere seiner Artikel zwischen 1934-1936 beschäftigten sich mit Rassenfragen und der Sterilisation als eugenisches Mittel, In einem Artikel in der Schweizer Medizinischen Wochenschrift bekannte sich Julius Bauer 1935 als Gegner des nationalsozialistischen "Gesetzes zur Verhütung erbkranken Nachwuchses", weshalb er aus der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin ausgeschlossen wurde und eine persönliche öffentliche Anprangerung Bauers durch den Deutschen Reichsärzteführer Gerhard Wagner erfolgte. Im Nationalsozialismus ab 1938 aus rassistischen Gründen verfolgt, verlor er sowohl seine venia legendi an der Universität Wien, als auch seine Stelle an der Poliklinik und musste auch seine Praxis zwangsweise schließen und wurde aus der Wiener Ärztekammer ausgeschlossen. Er konnte mithilfe der Unterstützung seiner prominenten Patienten und durch die Beziehungen seiner Frau Marianne Melitta Bauer-Jokl, die als Vizepräsidentin der internationalen Ärztinnenorganisation über Kontakte zu französischen Kolleginnen verfügte, mit einem französischen Visum knapp einer Verhaftung entgehen und konnten über Frankreich (Cherbourg) in die USA ausreisen, wo sie am 15. Dezember 1938 in New York ankamen. Er fand dort schnell eine neue Anstellung (1939‒1940, Louisiana State University in New Orleans) und übersiedelte bald nach Los Angeles, wo er 1941‒1961 "clinical professor" an der Loma Linda University in Kalifornien war und hauptsächlich in der Lehre arbeitete - für seine wissenschaftliche Tätigkeit hatte die Emigration das Ende bedeutet. Aufgrund der erfolgreichen Emigration – gemeinsam mit seiner Frau, der promovierten Ärztin und Romanistin DDr. Marianne Melitta Bauer-Jokl (1885-1980) und den gemeinsamen Kindern (Franz Karl Adolf Ernst Bauer (1917–1979) und Klaus Friedrich Bauer (geb. 1919) – wurde ihm, und im Erstreckungswege auch seiner Ehefrau, am 30. August 1941 die Deutsche Staatszugehörigkeit entzogen, woraufhin ihm am 1. April 1943 auch der akademische Grad aberkannt wurde (seiner Frau bereits am 14. Juli 1942), da sie beide im Nationalsozialismus "als Juden als eines akademischen Grades einer deutschen Hochschule unwürdig" galten. Erst 12 Jahre nach der Aberkennung und lange nach dem Ende des Nationalsozialismus wurde ihm der Doktorgrad am 15. Mai 1955 wieder zuerkannt, bzw. die Aberkennung für 'von Anfang an nichtig' erklärt. Er war in den USA auch als Vertrauensarzt des österreichischen Hilfsfonds für die medizinische Begutachtung vertriebener ÖsterreicherInnen bei Anträgen um Unterstützung aus Österreich tätig und verfasste 1964 eine Autobiografie als medizinische Kulturgeschichte des 20. Jahrhunderts und vermittelt darin das Selbstbild eines modernen Wissenschaftlers mit internationalen Beziehungen, der weder religiös noch weltanschaulich besonders gebunden war. Prof. Dr. Julius Bauer starb am 8. Mai 1979 in Beverly Hills/USA. Sein Name wurde im November 2008 am "Brunnen der Vertriebenen 1938" der Medizinischen Universität Wien vermerkt und er wurde im Juni 2009 in das "Gedenkbuch für die Opfer des Nationalsozialismus an der Universität Wien 1938" aufgenommen.


Lit.: Archiv der Universität Wien, Promotionsprotokoll MED M 33.9, Nr. 1156, Personalakt PA MED 30, Senat S 304.41, Rektorat GZ 118 ex 1941/42, Rektorat GZ 151 ex 1941/42 (=S 127.9) , Rektorat GZ 184 ex 1944/45, Rektorat GZ 561 ex 1944/45; ÖStA/AdR/BMF/VA 63829; ÖStA/ AdR/BMF/AHF 16736; ARIAS, Julius Bauer in: ARIAS 2008BAUER 1964HOFER 2007MERINSKY 1980, 14-16b; MÜHLBERGER 1993, 18; UB MedUni Wien/van Swieten Blog; POSCH 2009, 207; REITER-ZATLOUKAL/SAUER 2022; STADLER/WEIBEL 1995 ; STADLER II 2004 [1988], 87-88; TRAGL 2007, 293; Helmut WYKLICKY, Julius Bauer. Zur Feier seines 90. Geburtstages am 14. August 1977. In: Österreichische Ärztezeitung, 32.Jg., H.12, 870-872; freundlicher Hinweis von Andy Ellis, University of York/GB 08/2012 und von Dr.in Barbara Sauer, Wien 09/2019.


Katharina Kniefacz, Herbert Posch


Julius Bauer und Marianne Jokl-Bauer, Doktorgradaberkennungsverfahren, Einleitung 1941 (Vorderseite), © Archiv der Universität Wien

Julius Bauer und Marianne Jokl-Bauer, Doktorgradaberkennungsverfahren, Einleitung 1941 (Rückseite), © Archiv der Universität Wien

Julius Bauer, Doktorgradaberkennung, Bescheid 1942, © Archiv der Universität Wien

Julius Bauer, Doktorgradaberkennung, Verlautbarung im Reichsanzeiger vom 13. April 1943, © Archiv der Universität Wien
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