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Gertrud Zerner (verh. Maengwyn-Davies)

Geb. am: 28. Dezember 1910
Fakultät: Philosophische Fakultät
Kategorie: Vertriebene Studierende

Mag. pharm. Gertrud Diane ZERNER (verh. MAENGWYN-DAVIES, verh. SCHULZ), geb. am 28. Dezember 1910 in Paris/Frankreich (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft 1938: Österreich), Tochter von a.o. Univ.-Prof. Dr. Ernst Zerner (1884-1966, Chemiker) und Irene Anna Zerner, geb. Porges (1885-1948), wohnte in Wien 8, Neudeggergasse 1. Sie inskribierte nach Ablegung der Reifeprüfung (Matura) an der Universität Wien 1928/29, unterbrach aber und studierte zunächst zwei Jahre lang Sprachen in London und Paris. Sie studierte dann in Wien von Wintersemester 1932/33 bis Sommersemester 1936 an der Philosophischen Fakultät acht Semester Pharmazie, befand sich dann zwei Semester in der Prüfungsphase und erhielt am 19. Juni 1937 das pharmazeutische Absolutorium und erwarb den akademischen Grad einer "Mag. pharm." im Juli 1937. Anschließen setzte sie das Studium zur "Dr. phil." in Pharmakognosie ab Sommersemester 1937 Studium fort und war zuletzt im Wintersemester 1937/38 an der Philosophischen Fakultät im 9. Studiensemester inskribiert und belegte Vorlesungen in Psychologie, Chemie und Pharmazie/Pharmakognosie.

Obwohl sie am 13. Jänner 1925 aus der Israelitischen Kultusgemeinde Wien ausgetreten war und bei der Frage nach der Religion in der Nationale angab: "konfessionslos", wurde sie im Nationalsozialismus nach dem "Anschluss" als Jüdin verfolgt und aus rassistischen Gründen gezwungen, das Studium abzubrechen und die Universität Wien zu verlassen (ebenso wie ihr Vater, der Chemiker a.o. Univ.-Prof. Dr. Ernst Zerner).

Sie arbeitete nach Ihrer Sponsion zur Pharmazeutin 1937-1938 sowohl in der Apotheke Wiesinger aber auch als Universitätsassistentin an der Universität Wien am Institut für Pharmakognosie, wo sie u.a. auch an ihrer Dissertation arbeitete, konnte diese aber nicht mehr beenden.

Sie musste aus Wien fliehen und obwohl ihr nach dem Anschluss der Reisepass wegen antinazistischer Aktivitäten abgenommen wurde, gelang es ihr im Frühjahr 1938 nach Großbritannien zu emigrieren aufgrund eines Jobangebots samt Visum. Sie arbeite dann aber in England in verschiedenen nicht fachspezifischen Bereichen wie z. B. als Verkäuferin von Bildern für Kunstgalerien, als Sekretärin eines Keramikexperten und als Mitarbeiterin der Wirtschaftsabteilung des University College London in Aberystwyth. Sie lebte in London und hatte kurz nach der Ankunft am 10. August 1938 in Marylebone, Greater London, England, den Londoner David Evan Maengwyn Davies (1902-1968) geheiratet und war dadurch britische Staatsbürgerin geworden (Ehe wurde 1946 annulliert).

Sie emigrierte Ende 1940 alleine weiter von Liverpool, England, in die USA, wo sie am 5. Dezember 1940 auf der SS Nova Scotia in Boston, MA, ankam (ihre erste Anlaufadresse war ein Freund, Dr. H. Sobotka am Mount Sinai Hospital in New York). Sie arbeitete in den USA anfangs als Übersetzerin und Sekretärin, ab 1942 facheinschlägig als Chemikerin im Forschungslabor der Warwick Chemical Co. (SUN Chemical Corp.), Long Island City, NY. 1943-44 war sie Leiterin der Abteilung Analytische und Organische Chemie der Overly Biochemical Research Foundation, Inc., New York. 1944-45 war sie Forschungsassistentin und Studentin an der New York University, wo sie ihr in Wien erzwungenermaßen abgebrochenes Studium fortsetzen konnte.

Sie hatte am 25. Februar 1946 in New York die 1941 beantragte US-Staatsbürgerschaft erhalten, ließ ihre erste Ehe annullieren und heiratete am 21. August 1946 in Butte, Silver Bow County, Montana/USA den in Rumänien geborenen und in Chicago lebenden verwitweten Wirtschaftsberater Dipl.-Kaufmann John Hanus Ignacius Schulz (1909-1986) – beide lebten damals in Chicago, IL.

Sie wechselte 1946 als Forschungsassistentin an den Lebensmittelkonzern Quaker Oats Co., Chicago, 1948 an die Markle Foundation und wurde Fellow am Department of Pharmaceutics an der Medizinischen Fakultät der University of Maryland, Baltimore. 1948-1952 studierte sie an den Fakultäten für Medizin, Hygiene und Public Health der Johns Hopkins University und erhielt in diesen Jahren einige grants und fellowships. 1952 konnte sie ihre Studien abschließen und promovierte zur "Ph.D.".

1952-1955 arbeitete sie an der Medizinischen Fakultät der Johns Hopkins University (1952-53 instructor, 1953-55 assistant professor), war 1953 visiting scientist an den Carlsberg Laboratories in Kopenhagen/Dänemark und 1955-56 associated research professor of pharmaceutics an der Medizinischen Fakultät der George Washington University in Washington, D.C. Ab 1956 arbeitete sie an der Medizinischen Fakultät der Georgetown University, Washington, D.C (1956 associate professor, 1963 professor of pharmaceutics, 1975 professor of physiology and biophysics). 1976 emeritierte sie als Professorin für Pharmazie, Physiologie und Biophysik in Washington. Dazwischen lagen zahlreiche Gastprofessuren und Gastforschungsaufenthalte in England und den USA (u.a. 1959 Royal Free Hospital Medical School, London; 1962 School of Pharmacy, University London; 1962 deptartment of pharmacy, Oxford University; 1962 department of pharmacy, Royal College of Surgeons, London; 1969 department of pharmacy, Cambridge University; ...) und zahlreiche Beratungstätigkeiten. und Mitarbeit in mehreren Herausgeberboards wissenschaftlicher Zeitschriften, u.a. 1965-69 New Drugs (A.M.A, Chicago), 1968 Unlisted Drugs (Pharmaco-Med. Documentation, Chatham, N.J.), 1970-74 Neurosciences Research (New York), 1974-76 Fed. of Am. Socs. for Exp. Biol.

Sie war Mitglied zahlreicher internationaler wissenschaftlicher Vereinigungen (u.a. American Association for the Advancement of Science, Chemical Society (London), Washington Academy of Sciences, New York Academy of Sciences, Society for Experimental Biology and Medicine, American Society for Pharmacology and Experimental Therapeutics, American Society for Biochemistry and Molecular Biology, Association for Women in Science, British Pharmacological Society, ...), publizierte 95 Beiträge in wissenschaftlichen Fachmagazinen, oft gemeinsam mit Co-Autor*innen und wurde 1981 mit der Silver Spring Medal ausgezeichnet.

Sie lebte zuletzt in Silver Spring, MD/USA.

Prof. Mag. pharm. Gertrud Diane Maengwyn-Davies, PhD, verh. Schulz, geb. Zerner, starb am 30. Jänner 1985 in den USA.


Lit.: Archiv der Universität Wien/Nationale PHIL 1932–1938, M35.5. Sponsionsprotokoll PHARM III (1933–1993), Nr. 175; The Evening Star vom 6. Juli 1967, vom 31. Dezember 1970 und vom 3. November 1971; National Enquirer vom 5. März 1972; RÖDER 1983, 762; Peter KRÖNER, Hg., Vor fünfzig Jahren. Die Emigration deutschsprachiger Wissenschaftler 1933–1939 (Katalog anlässlich des 21. Symposions der Gesellschaft für Wissenschaftsgeschichte vom 12.–14. Mai 1983 in der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel), Münster 1983; Edith PROST, Vertriebene Frauen, in: Friedrich Stadler, Hg., Vertriebene Vernunft II. Emigration und Exil österreichischer Wissenschaft 1930–1940, 1988 [²2004], 1079–1080, 1079; BRANDSTETTER 2007, 140; POSCH/INGRISCH/DRESSEL 2008, 503, 433; Ilse KOROTIN u. Nastasja STUPNICKI, Hg., Biografien bedeutender österreichischer Wissenschafterinnen, Wien, Köln u. Weimar 2018, 518 (s.a. Biografia).


Herbert Posch


Gertrude D. Maengwyn-Davies, geb. Zerner, 1940, © National Library of Medicine in Rockville Pike, Bethesda, MD/USA (nlmuid 101422669)

Nationale von Gertrud Zerner (später verh. Maengwyn-Davies), Wintersemester 1937/38 (Vorderseite), Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien

Nationale von Gertrud Zerner (später verh. Maengwyn-Davies), Wintersemester 1937/38 (Rückseite), Foto: Herbert Posch, © Archiv der Universität Wien
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