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Lucie (Lucy) Smetana (Fowler)

Geb. am: 06. September 1919
Fakultät: Medizinische Fakultät | Medizin Universität Wien
Kategorie: Vertriebene Studierende
Lucie Edith SMETANA (später verh. FOWLER), geb. am 6. September 1919 in Wien (heimatberechtigt in Wien, Staatsbürgerschaft: Österreich), war die Tochter von Friedrich (Fritz) Smetana (Kaufmann, geb. am 18. September 1889; Suizid am 31. Mai 1938 in Wien) und dessen Frau Berta Smetana geb. Weinberger (geb. am 9. Jänner 1896 in Wien). Die Eltern hatten 1918 in Wien geheiratet und wohnten zunächst in Wien 13, Hietzinger Hauptstraße 69. Ihr Vater begann eine diplomatische Karriere und war 1926 bis 1938 Generalkonsul der Republik San Marino in Österreich. Die Familie zog daher in das Konsulat in Wien 13, Auhofstraße 66, um, wo Lucie Smetana und ihre Schwester Sonja Smetana (geb. am 1. Dezember 1927 in Wien) einen Teil ihrer Kindheit verbrachten. Sie besuchte ab 1924 die Volksschule Feldmühlgasse und ab 1931 das Realgymnasium Wenzgasse in Wien 13.
1932 ließen sich die Eltern scheiden, Berta Smetana zog mit den beiden Töchtern in eine eigene Wohnung in Wien 1, Schubertring 12/1/12. Als Folge des Umzugs wechselte Lucie Smetana die Schule und besuchte ab 1932 das Realgymnasium des Wiener Frauen Erwerb Vereins in Wien 4, Wiedner Gürtel 68. Dort lernte sie ihre Klassenkollegin Annie Altschul kennen, die eine ihrer besten Freundinnen wurde und mit der sie bis ins hohe Alter Kontakt hielt.
Nach der Reifeprüfung am 17. Juni 1937 begann Lucie Smetana im Wintersemester 1937 /38 Medizin an der Universität Wien zu studieren, während Annie Altschul ein Studium der Mathematik und Physik aufnahm. Smetana war zuletzt im Sommersemester 1938 an der Medizinischen Fakultät im 2. Studiensemester inskribiert. Die Familie von Lucie Smetana wurde nach dem "Anschluss" im März 1938 systematisch verfolgt: Der Schwager ihres Vaters Fritz Smetana, Jacques Steininger, wurde am 27. Mai 1938 verhaftet. Wenige Tage später, am 31. Mai 1938, nahm sich Fritz Smetana in Wien das Leben. Sein Erbe, das seiner Ex-Ehefrau Berta und den Töchtern Lucie und Sonja Smetana zustand, wurde später "arisiert", ebenso der große Färbereibetrieb des Großvaters Josef Smetana in Wien 13, Linzerstraße 104. Weitere drei Tage später, am 3. Juni 1938, wurde Josef Smetana festgenommen und erst nach einigen Wochen wieder entlassen. Er und die Großmutter Cäcilie Smetana wurden zuletzt in das Altersheim in Wien 9, Seegasse 9, übersiedelt und nahmen sich am 2. Dezember 1941 aus Angst vor drohender Deportation das Leben.
Lucie Smetanas Mutter Berta und ihre Schwester Sonja flüchteten 1938/39 von Wien nach Frankreich. Sie wurden im August 1942 in Nizza festgenommen und in das Sammellager Drancy in der Nähe von Paris gebracht. Am 2. September 1942 wurden sie weiter nach Auschwitz [Oswiecim/Polen] deportiert und dort ermordet. Da Lucie Smetana Französisch sprach, erwog sie zunächst eine Emigration nach Frankreich und ein mögliches Chemiestudium an der Universität Paris-Sorbonne. Obwohl sie die englische Sprache nicht beherrschte, emigrierte sie schließlich nach Großbritannien. Sie verließ am 27. August 1938 Wien und kam Anfang September 1938 in England an. Auch ihre Schulfreundin Annie Altschul emigrierte gemeinsam mit ihrer Mutter und ihrer Schwester nach Großbritannien. In England arbeitete Lucy Smetana zunächst als Au Pair und Hausmädchen in der Nähe von Nottingham, bevor es ihr ab 1939 möglich war, eine Krankenschwesternausbildung am Peel Street Hospital for Women in Nottingham zu besuchen. Obwohl sie vorerst noch kaum Englisch sprechen konnte, war sie eine der Besten ihres Jahrgangs - aufgrund der medizinischen Kenntnisse aus ihrem Wiener Studium. Am 12. September 1941 erhielt sie ihr erstes Zertifikat für Krankenpflege und arbeitete anschließend in verschiedenen Spitälern als Krankenschwester, ab 1952 am Children’s Hospital in Nottingham. Bei Treffen der International Friendship League (IFL) lernte Lucy Smetana den sechs Jahre jüngeren John Fowler (1925-1986) kennen, dem sie bei der Verbesserung seiner Deutschkenntnisse half (auf Wunsch der Eltern hatte er bereits mit 14 Jahren seine Schulbildung abgebrochen, um Geld zu verdienen). 1944 – als er 19 Jahre alt war – heirateten sie und 1945 wurde ihre Tochter Susan (verh. Soyinka) geboren, 1948 und 1950 die Söhne Peter und Stephen.  1959, im Alter von 40 Jahren, nahm Lucy Fowler neben ihrer Berufstätigkeit eine Ausbildung zur Sozialarbeiterin auf, die sie zehn Jahre später beendete. Sie bedauerte aber stets, dass es ihr nicht möglich gewesen war, Ärztin zu werden. Von 1969 bis zu ihrer Pensionierung 1984 arbeitete Lucy Fowler als Sozialarbeiterin.
Gemeinsam mit Annie Altschul besuchte sie 1968 erstmals nach 30 Jahren wieder ihre Geburtsstadt Wien. Lucy Fowler lebte seit 1997 in einem Altersheim (Miriam Kaplowitch House Residental Home). Sie starb am 23. August 2003 in Nottingham.


Lit.: freundlicher Hinweis ihrer Tochter Susan Soyinka, UK, 2010; Susan SOYINKA, A Silence that Speaks. A Family Story through and beyond the Holocaust, Eliora Books 2013; geni.com; Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW): Datenbank Shoah-Opfer (Eltern Fritz und Berta Smetana, Großeltern Cäcilie und Josef Smetana, Schwester Sonia Smetana); myheritage.deKNIEFACZ/POSCH 2017aKNIEFACZ/POSCH 2017b.

Katharina Kniefacz


Nationale von Lucie Smetana, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Lucie Smetana, Wintersemester 1937/38 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Lucie Smetana, Sommersemester 1938 (1. Formular Vorderseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Nationale von Lucie Smetana, Sommersemester 1938 (1. Formular Rückseite), Foto: H. Posch (c) Universitätsarchiv Wien

Lucy Fowler (geb. Smetana), 1940er in England, (c) Susan Soyinka, England

Klassenfoto von Lucie Smetana (später verh. Fowler) [oben rechts] und Annie Altschul [unten links], Realgymnasium in Wien, 1930er Jahre(c) Susan SOYINKA, A Silence that Speaks. A Family Story through and beyond the Holocaust, Eliora Books 2013, S. 138.

Annie Altschul und Lucie Fowler (geb. Smetana) mit ihren Kindern Susan und Peter Fowler, England 1949, (c) Susan SOYINKA, A Silence that Speaks. A Family Story through and beyond the Holocaust, Eliora Books 2013, p. 139.

Lucie Fowler (geb. Smetana) mit ihrem Ehemann John und ihren Kindern Susan, Peter und Stephen Fowler Nottingham 1960er Jahre, (c) Susan SOYINKA, A Silence that Speaks. A Family Story through and beyond the Holocaust, Eliora Books 2013, p. 154.
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